Greenpeace kapert den Holzpiraten

Aktivisten der Umweltorganisation stoppen auf der Elbe Frachter, der mit Tropenholz beladen ist. Aktion erst nach 15 Stunden von der Polizei beendet  ■ Von Jochen Becker

Katz und Maus-Spiel in der Nacht zu Freitag auf der Elbe. Kurz hinter Wedel liegt das Greenpeace-Schiff Beluga in der Abenddämmerung auf der Lauer. Die Besatzung der Beluga und der drei hoch motorisierten Schlauchboote, die längsseits dümpeln, wartet auf den Holzfrachter Enif, der mit brisanter Ladung auf dem Weg nach Hamburg ist. Laut Oliver Salge, Wald-Kampaigner bei Greenpeace, hat der Frachter, der unter der Flagge von Singapur fährt, rund 300 Kubikmeter illegal eingeschlagene Edelhölzer aus dem Urwald am Amazonas an Bord.

Recherchen von Greenpeace vergangenen Herbst im so genannten „Mahagoni-Gürtel“ des Amazonas-Gebietes hatten ergeben, dass große Mengen wertvoller Bäume in Gegenden gefällt werden, in denen der Holzeinschlag seit Jahren verboten ist. Die brasilianische Umweltbehörde IBAMA untersagte kurz darauf bis auf weiteres das Fällen, den Handel und den Export von Mahagoni. Die betroffenen Holzkonzerne zogen jedoch gegen den Erlass vor Gericht und exportierten, während das Verfahren noch in der Schwebe war, weiterhin fleißig Mahagoni nach Europa, unter anderem auch nach Deutschland. „Wir wollen das Entladen der Enif verhindern“, gibt Carmen Ulmen, Pressesprecherin von Greenpeace, an Bord der Beluga die Parole aus: „Mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit wissen wir, welchen Verladeplatz das Schiff ansteuern wird.“

Gegen 20 Uhr kommt Bewegung in die Sache. Die Aktivisten in den Schlauchbooten zurren das Klettergeschirr über dem dicken Ölzeug fest, Seile, Karabinerhaken, Flaggen und ein großes Transparent wandern aufgerollt in die Boote. Auf dem Achterdeck werden Farbeimer und Malerrollen in Position gelegt. Ein eiskalter Wind treibt Wolkenfetzen über den aufgehenden Mond.

Dann ist der Frachter plötzlich da. Die Schlauchboote trennen sich von der Beluga, nur anhand ihrer Positionslichter sind sie winzig gegen das Containerschiff auszumachen. Sie lassen die Enif passieren, machen dann in einem Bogen von hinten kommend längsseits an dem Frachter fest. Die Beluga läuft unter Volldampf nebenher und leuchtet mit einem starken Scheinwerfer die Szene aus. Ihre Motoren sind allerdings zu schwach – unbeirrt zieht der Koloss vorbei und lässt die Beluga bald hinter sich.

Im Führerstand drängt sich jetzt alles um den Radarschirm und die Sprechfunkgeräte. Per Handy halten die Kampaigner an Bord Kontakt zu den Aktivisten, die mittlerweile die Bugwand der Enif bezwungen haben und sich anschi-cken, auf deren Verladekräne zu klettern. Dort wollen sie das Transparent mit der Aufschrift „Save the Ancient Forest“ aufhängen. „In zehn Minuten bekommt die Enif zwei Schlepper“, gibt Salge an die Aktivisten weiter, was er aus dem Funkverkehr des an Bord der Enif befindlichen Lotsen erfahren hat. Zwei Kilometer voraus zeigen Blaulichter das Eintreffen der Wasserschutzpolizei bei dem Frachter an.

Im Hafen schließlich hat die Beluga zur Enif aufgeschlossen, die von den Schleppern Richtung Verladeplatz bugsiert wird. Weitere Greenpeace-Schlauchboote und eine Barkasse sind inzwischen dazugestoßen, etwa fünfzig Aktivisten nehmen an der Aktion teil. Dicht oberhalb der Wasserlinie des Frachters haben die Anstreicher ganze Arbeit geleistet: „Amazon Crime“ und „Stoppt Urwaldzerstörung“ steht dort in großen Buchstaben auf der Bordwand. Der angesteuerte Verladeplatz im Steinwerder Hafen ist mit einer Kette aus gelben Tonnen blockiert, vier Schwimmer schwenken Lichter und Fahnen. „Die Greenpeace-Leute sagen, sie wollen das Anlegen behindern“, dröhnt die Polizei aus dem Sprechfunk. „Das grenzt an Nötigung, die haben wohl noch nie gearbeitet“, gibt der Lotse der Enif zurück und sorgt für schallendes Gelächter auf der Beluga. Die Stimmung an Bord ist gut, schließlich klappt die Aktion bisher wie am Schnürchen.

Notgedrungen wird die Enif zu einem anderen Liegeplatz geschleppt, doch die Aktivisten gehen mit ihren Schlauchbooten zwischen das Schiff und die Kaimauer und verhindern weiterhin ein Anlegen des Frachters. Über Stunden liefern sie sich ein Katz- und Mausspiel mit den zwei Booten der Wasserschutzpolizei, schließlich wird der Frachter gegen 3 Uhr morgens an Dalben in der Strom-Mitte festgemacht. „Ein schöner Moment“, freut sich Oliver Salge.

Die Aktivisten bleiben weiter vor Ort und ketten sich am Morgen an das Ruder des Frachters. Gegen 11 Uhr am Vormittag ist ein Sondereinsatzkommando der Polizei mit einem Dutzend kleiner Boote zur Stelle und übernimmt das Kommando auf der Beluga. Deren Besatzung wird vorläufig festgenommen. Die Enif wird wieder zum Verladeplatz geschleppt, dort beschlagnahmen Polizisten auch die übrigen Greenpeace-Boote. Es gibt keine Verletzten. Mittags ist die Blockade offiziell beendet.

„Wir haben gezeigt, dass wir in Deutschland mitverantwortlich für die Zerstörung des Urwaldes sind, wenn wir weiter illegale Tropenhölzer importieren“, zieht Salge ein positives Fazit der Aktion. „Nach Spanien, Frankreich und Italien war dies der vierte Protest dieser Art innerhalb einer Woche. Alle Regierungen in Europa sind dazu aufgerufen, sich auf dem Umweltgipfel im April in Den Haag mit der Urwaldproblematik auseinander zu setzen.“ Greenpeace macht in einem Schreiben an Bundesfinanzminister Hans Eichel und Entwicklungsministerin Heide Wieczorek-Zeul auf die fragwürdige rechtliche Situation des Mahagoni-Imports aufmerksam und fordert ein Einschlagmoratorium für die letzten Urwälder der Erde. Nicht nur im Amazonas, sondern auch in Sibirien, Süd-Ost-Asien und in Afrika stehen Tiere und Pflanzen durch die Vernichtung der Wälder vor der Ausrottung. Ein Abholzungsstopp müsse gelten, bis geklärt ist, welche Urwälder als Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen und welche nach ökologisch und sozial nachhaltigen Kriterien genutzt werden können.