Abends, Kinder, soll’s was geben

Und zwar noch mehr Programm: Pünktlich zu seinem fünften Geburtstag verkündet der Kinderkanal, dass er auch abends die kleinen Zuschauer glücklich machen will. Fehlen nur noch Kanäle, die nach 19 Uhr nicht vom Kultursender Arte besetzt sind

von ALEXANDER KÜHN

Kinder gehören nicht vor den Bildschirm, pflegte der Pädagoge und ZDF-Gründungsintendant Karl Holzamer in grauer Vorzeit zu mahnen. Sein Nach-Nachfolger Dieter Stolte dagegen hatte stets Spaß daran, kleine Menschen vor den Fernseher zu locken; mit Heidi, Wickie und dem lustigen Latzhosenpeter aus dem Bauwagen klappte das ja. Dann jedoch begannen die Privatsender, ihre Krakenarme nach der jungen Kundschaft auszustrecken. Es musste was geschehen.

1997 gründeten ARD und ZDF deshalb den Kinderkanal, der seither 12 bis 13 Stunden täglich die kleinen TV-Konsumenten unterhält und informiert – ohne Werbepausen. Munter kräht der Pumuckl, fröhlich quakt Alfred Jodokus. Doch um 18.55 Uhr lässt der Sender das Sandmännchen aufmarschieren und ruft Punkt 19 Uhr den Feierabend aus. Tschüs, gute Nacht, bis morgen. Kinder indes denken nicht daran, so früh ins Bett zu gehen, sondern schalten um zu den lustigen Trickfilmen auf RTL 2 und Super-RTL. Es muss was geschehen.

Und zwar Folgendes: Ab 2003 will der Kika seine Sendezeit probeweise bis 21 Uhr ausdehnen, von 2005 an dann regulär bis 22 Uhr. Das erklärten Dieter Stolte und Udo Reiter, MDR-Intendant und Kika-Beauftragter der ARD, bei der Pressekonferenz zum fünfjährigen Bestehen des Kinderkanals. Als Rabe Rudi, Biene Willi und Käpt’n Blaubär verkleidete Menschen zappelten ausgelassen um sie herum, und Kika-Chef Frank Beckmann freute sich über das „Geburtstagsgeschenk“.

Dabei ist längst nicht alles in trockenen Tüchern. Bisher lief es so: Wenn der Kika abends dichtmacht, beginnt Arte auf dem gleichen Kanal sein Kulturprogramm – und natürlich wird Arte dem Kika zuliebe nicht erst am späten Abend zu senden beginnen. Die Kikanier müssen sich also von Arte trennen. Für die Satellitenausstrahlung besorgen sie sich dazu einfach einen neuen Platz am Himmel. Kein Problem. Doch per Satellit empfangen nur 32 Prozent der deutschen Fernkucker ihre Programme – 60 Prozent dagegen via Kabel. Und hier wird es schon schwieriger, sich von Arte loszusagen. Denn im bislang noch analogen Kabelnetz steht nur eine begrenzte Zahl an Kanälen zur Verfügung. Die werden, schön föderalistisch, von den 15 Landesmedienanstalten (LMA) vergeben. Und denen hat der Kika seinen Wunschzeitplan bisher nicht mitgeteilt.

Die Kanäle sind voll

Dass nun bereits im kommenden Jahr die LMA aller Bundesländer einen neuen Kanal für den Kika freischaufeln, ist unwahrscheinlich. „Das wäre ein Wunder“, sagt Norbert Schneider, Vorsitzender der LMA-Direktorenkonferenz. Entweder müssten diese dem Kika einen anderen Kanalpartner zuteilen, oder sie müssten irgendeinen Sender ganz rauskicken. Im dümmsten Falle ein drittes Programm, womit die ARD ein Eigentor geschossen hätte. Würde dagegen ein privater Sender entsorgt, zöge der natürlich vor Gericht – und das Verfahren sich in die Länge. Deshalb nennt Udo Reiter die erste, für 2003 geplante Verlängerung auch nur „Pilotphase“. Der Zeitplan für die zweite Stufe ist dagegen realistischer. „Bis 2005“, so Norbert Schneider, „müsste es bundesweit aber klappen.“ Doch wie gesagt: Das entscheidet jedes Land für sich.

Wenn’s nach Plan läuft, freut sich nicht nur der Kika, sondern auch Arte. Der deutsch-französische Kulturkanal sendet neuerdings nämlich bereits ab 14 Uhr. Nur: Sehen kann das bislang kaum jemand, genauer gesagt: lediglich die Zuschauer in Niedersachsen und Bremen. Dort haben die LMA den Kultur- und den Kinderkanal nämlich bereits voneinander getrennt. In Niedersachsen etwa teilt sich der Kika einen Kanal mit MTV 2, und Arte belegt denselben Kanal wie der französische Sender TV 5.

„Uns kommen die Kika-Pläne sehr entgegen“, erklärt Arte-Sprecher Hans Walter Schlie. „Dann bekommen die Landesmedienanstalten Druck von zwei Seiten.“ Arte möchte freilich auch in den übrigen Bundesländer mehr Sendezeit bekommen. Und irgendwann, in vielleicht gar nicht ferner Zukunft, möchte der Kultursender ein 24-Stunden-Programm zeigen.

Bleibt noch die Frage, was der Kika den Kinder abends vorsetzen möchte. Da zumindest für 2003 nicht mehr Geld zur Verfügung steht als bisher, sind allzu große Sprünge vorerst nicht drin. Doch Dieter Stolte begann nun schon mal laut zu überlegen: Vielleicht eine Sendung, die den Kindern unterhaltsam Englisch beibringt; oder ein Format, das sie in die Welt der Naturwissenschaften und Technik einführt. Vielleicht sollte Dieter Stolte höchstselbtst nach seinem ZDF-Abgang eine Mathe-Nachhilfesendung anbieten. Zum fünften Geburstag des Kinderkanals gab er bereits eine fernsehreife Kostprobe: „Fünf ist eine schöne Zahl. Fünf Finger hat die Hand, das kann man sich gut einprägen.“