: Nachts, da kommen die Migranten
Denn früher mag das ZDF die Filme über Asylbewerber und Einwanderer nicht senden. Dabei sind in der neuen internationalen Reihe des „Kleinen Fernsehspiels“ einige Perlen dabei. Der erste Beitrag heute kommt aus Dänemark: „Pizza King“ (0.20 Uhr)
von CHRISTIAN BUSS
Beim ZDF ist man zurzeit vollauf damit beschäftigt, die Geschichte Ostdeutschlands aufzuarbeiten. Die Marketing-Aktivitäten zum großen TV-Roman „Liebesau“ laufen auf Hochtouren; nach dem „Semmeling“-Debakel soll wenigstens dieser aufwändige Mehrteiler ein Erfolg werden. Erzählt wird darin von den historischen Daten der DDR – aus der Sicht eines Dorfes. Gesendet wird die Produktion, die mehr Bauernschwank ist denn Politdrama, im April – zur Primetime.
Dringlichere Themen indes werden beim Zweiten zu später Stunde verhandelt. So startet heute nach Mitternacht eine Reihe des „Kleinen Fernsehspiels“, in der Migrantenfilme zu sehen sind. Die Brisanz des Themas drängt sich nicht erst durch die Diskussionen über das Zuwanderungsgesetz auf, in denen sich hiesige Politiker momentan für den Wahlkampf warmreden. Mit dem Schlagwort „Zuwanderung“ werden inzwischen in ganz Europa Wahlen gewonnen. Erst im November kam es in Dänemark zu einem massiven Rechtsruck, nachdem die Opposition eine Verschärfung der ohnehin rigiden Asylgesetze gefordert hatte.
Da ist es eine gute Entscheidung, die „Migranten“-Reihe mit einem dänischen Beitrag zu eröffnen. Zumal die neue Regierung bereits einen „Minister für Flüchtlinge, Einwanderung und Integration“ ernannt hat, der keineswegs dazu da ist, nicht skandinavischen Ethnien das Leben komfortabler zu gestalten. Bei der Sichtung von „Pizza King“, mit dem die Reihe startet, hätte der Minister wenig Freude: Das Gangsterdrama handelt von orientierungslosen Migrantenkindern, die sich in Kopenhagen mit kleinen Verbrechen über Wasser halten. Im Vordergrund steht nicht der Konflikt mit dem Gesetz, sondern die Auseinandersetzung mit der verhassten Vätergeneration. So entsteht eine Sozialstudie, die ohne schale Integrationsrhetorik auskommt – ähnlich wie Fatih Akins Meisterwerk „Kurz und schmerzlos“.
Werden auch künftig solche Filme aus Dänemark kommen? Gerade ist der TV-Manager des zuständigen Senders Danish Radio TV gegangen; dass der progressive Kurs gehalten werden kann, darf angesichts der neuen politischen Führung des Landes bezweifelt werden. Auch beim ZDF ist man skeptisch. Redakteur Burkhard Althoff, der die Reihe betreut, sagt: „Wie politisiert Fernsehen ist, sieht man ja auch hierzulande.“ Vor der Intendantenwahl ist man in keinem ZDF-Ressort sicher. Allerdings sind Althoff zur Zeit andere Dinge wichtiger. Mit ausländischen Kollegen brütet er ein System aus, durch das der Austausch ambitionierter Fernsehspiele gefördert werden soll. Denn bei fast allen nordeuropäischen Sendern werden hochwertige kleine Filme produziert, und durch eine Vernetzung könnte man eine bessere Auswertung sichern.
So läuft die „Migranten“-Reihe innerhalb eines Entwicklungsprojekts, das mit Blick auf die wenig publikumswirksame Uhrzeit „Night Trade“ getauft wurde. Die Produktionen sollen auf den Nachtschienen unterschiedlicher europäischer Anbieter zirkulieren. Dabei findet sich in der nächtlich verschobenen Ware schon mal ein Publikumsrenner. Die Tragikomödie „Das neue Land“ (Montag, 18. März) etwa lief in Schweden mit prima Quote zur Primetime. Kein Wunder: Die Geschichte um zwei Asylbewerber auf der Flucht vor den Behörden ist äußerst kurzweilig geraten. Die schillernde Odyssee durch den trüben Sozialstaat wurde bereits auf der Berlinale mit großem Erfolg gezeigt.
Wo Migranten draufsteht, sind nicht zwangsweise Problemfilme drin. Die Verantwortlichen des „Kleinen Fernsehspiels“ wissen das; mit Akins „Kurz und schmerzlos“ haben sie selbst einen kleinen Hit finanziert. Schade nur, dass ausgerechnet die Niete „Ich Chef, du Turnschuh“ (Montag, 25. März) als Eigenproduktion in die ansonsten starke Schau gehoben wurde. In der Farce um streikende ausländische Billigkräfte auf dem Bau reiht sich ein Klischee ans andere. Ein schaler Abschluss. Für alle übrigen Beiträge des unbequemen Latenight-Entertainments empfiehlt es sich, den Videorekorder zu programmieren.
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