Rückschlag in Mazedonien

Mazedonische Sicherheitskräfte erschießen sieben Männer. Der Innenminister spricht von „Terroristen“ möglicherweise pakistanischer Herkunft. Untersuchungen dauern an

Derartige Vorfälle könnten nationalistische Stimmungen wieder anheizen

SARAJEVO taz ■ In Mazedonien häufen sich derzeit wieder bewaffnete Zwischenfälle. Am Samstag erschossen mazedonische Sicherheitskräfte sieben Männer in dem Dorf Rastanski Lozja, das 15 Kilometer nördlich der Hauptstadt Skopje in der so genannten Skopska Crna Gora liegt. Nach Angaben des mazedonischen Innenministers Ljube Boskovski soll es sich dabei um „Terroristen“ handeln. Die Männer hätten Uniformen der inzwischen aufgelösten albanischen Befreiungsarmee UÇK getragen und seien mit automatischen Waffen ausgerüstet gewesen.

Boskovski erklärte zudem, bei den Getöteten könne es sich um „islamische Fundamentalisten“ aus Pakistan gehandelt haben. Weiterhin gab das Innenministerium gekannt, schon vor zwei Wochen seien 20 Männer in Skopje festgenommen worden, die Pläne ausländischer Botschaften bei sich gehabt hätten. Vier der Männer hätten zudem Zünder und Sprengstoff bei sich gehabt. Unter den Festgenommenen hätten sich auch Bosnier und Jordanier befunden. Verbindungen zu islamischen Fundamentalisten würden untersucht.

Die Sicherheitsmaßnahmen für die Botschaften, vor allem jener der USA und Deutschlands, sind seither verstärkt worden. Dieser Umstand wurde auch von diplomatischen Quellen in Mazedonien bestätigt. Nicht bestätigen wollten die Quellen jedoch die Version des Innenministers über die Schießerei und den Tod der sieben Männer am Samstag. Unbestätigt blieb auch die These, es handele sich bei den Getöteten um islamische Fundamentalisten. Beobachter der OSZE und der im Lande stationierten internationalen Militäreinheiten untersuchten den Vorfall und würden einen eigenen Bericht vorlegen, hieß es aus Skopje.

Schon im vergangenen Jahr hatte das Innenministerium in Skopje versucht, der damaligen albanischen Nationalen Befreiungsarmee UÇK Verbindungen zu islamisch-fundamentalistischen Kreisen nachzuweisen. Unabhängige Institutionen jedoch konnten diese Anschuldigungen nicht bestätigen. Es tauchte sogar der Verdacht auf, der zum radikalen nationalistischen Lager gehörende Innenminister versuchte mit dieser These, nach den Anschlägen vom 11. September in den USA Unterstützung durch die „Anti-Terror-Koalition“ im innenpolitischen Konflikt zu erhalten. Vertreter der albanischen Volksgruppe in Mazedonien, die ein Drittel der Bevölkerung ausmacht, wiesen Verbindungen zu islamischen Fundamentalisten energisch zurück.

Ernst genommen wird in diplomatischen Kreisen in Skopje jedoch, daß sich die bewaffneten Zwischenfälle in Mazedonien wieder häufen. Auch in Tetovo kam es am Samstag zu Schießereien. In einem Café wurde ein Albaner erschossen und ein anderer schwer verwundet, an anderer Stelle zwei mazedonische Polizisten angegriffen und verletzt.

Dass es in diesem Frühjahr zur zweiten Runde des Krieges in Mazedonien kommen könne, hatten viele in Skopje und Tetovo bereits im vergangenen Herbst befürchtet. Bisher handelt es sich zwar lediglich um einzelne Zwischenfälle und die Lage ist insgesamt ruhig. Angesichts der Erfahrungen mit balkanischen Kriegen ist jedoch nicht auszuschließen, daß Vorfälle wie diese die nationalistischen Stimmungen auf beiden Seiten wieder anheizen.

Dafür spricht auch, dass die mazedonischen Sicherheitskräfte jetzt besser ausgerüstet sind als noch im Vorjahr. Große Mengen an Waffen sollen nach westlichen Quellen aus Serbien und Bulgarien geliefert worden sein. Andererseits sind die Albaner in Mazedonien durchaus in der Lage, die militärischen Strukturen der ehemaligen UÇK innerhalb kürzester Zeit wieder zum Leben zu erwecken. Von den internationalen KFOR-Truppen kürzlich abgefangene Waffentransporte aus dem Kosovo nach Mazedonien deuten darauf hin, dass auch albanische Kreise sich aufrüsten. Schon im Herbst vergangenen Jahres hatte sich eine Nachfolgeorganisation der UÇK, die AKSh, gebildet. Möglicherweise handelt es sich bei den sieben in Rastanski Loszja Getöteten um Kämpfer dieser Organisation.

ERICH RATHFELDER

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