Paris für Marsmenschen

■ Die Kunsthalle zeigt zwölf extraterrestrisch-spektakuläre Fotografien von Matthias Hoch

Menschen mag Matthias Hoch nicht. Jedenfalls nicht auf seinen Fotos. „Ich wollte keine Geschichten erzählen“, sagt Hoch. Keine menschlichen zumindest. „Mich haben einfach Räume interessiert, Dinge, die man jeden Tag benutzt.“ Nur eben ohne die Nutzer. Und das ist das Erstaunliche, das Fremde in seinen Bildern, die seit gestern in der Kunsthalle Bremen zu sehen sind.

U-Bahnhöfe hat Hoch zum Beispiel abgelichtet. Und weiter: Zimmer. Häuser. Flure. Alltägliches eigentlich, nur dass es nicht so aussieht, weil Hoch den Alltag, das Leben aus diesen Räumen verbannt hat. Die großformatigen Ausschnitte wirken deshalb fast weltfremd. Wie eine Erd-Dokumentation für Marsianer. „So hab ich mir das bei der Arbeit manchmal vorgestellt“, sagt der Dresdner, der nur Formen, Architektur und kräftige Farben als Kommunikationsmittel zulässt.

In Paris und Brüssel hat Hoch fotografiert. Und in Aachen und im Reichstag. Aber selbst Einheimische würden ihre Stadt hier nicht wieder erkennen: Kein Eiffelturm, kein Plutonium, keine irgendwie vertrauten Fassaden. Statt dessen zeigt Hoch vom Reichstag nur ein paar Regalmeter, von Paris eine Sofaecke, von Brüssel eine Anzeigetafel im Flughafen und manchmal auch nur einen Teppich.

Für Marsmenschen würden sich mit diesen Eindrücken irdischer Räumlichkeiten ganze Welten auftun. Für Erdbewohner wirkt das ganze merkwürdig faszinierend. Das Regal ist bei Hoch kein Regal mehr, sondern eine Installation. Die Detailaufnahme von der Abflugtafel wirkt wie ein Kunstwerk aus Buchstaben von bizarrer, weil nie beachteter Schönheit.

„Auch wenn ich wenig über Brüssel erzähle, haben die Fotos trotzdem viel mit diesem Ort zu tun“, behauptet Hoch, der inzwischen als freischaffender Fotograf in Leipzig lebt. Aber dieses Regal, diese Sofa-Ecke, dieser Teppichboden mit der seltsamen Zimmerecke – es gibt sie eben an diesem einen Ort, den Hoch kennt.

Zehn bis zwölf Mal war Hoch in Paris. Erst beginnt er, die Stadt ohne Kamera zu durchstreifen, wählt Perspektiven aus. Dann kommt er zurück und wartet auf den richtigen Zeitpunkt – den menschenfreien. Denn um U-Bahnhöfe, Häuser und Straßen ohne Leben und selbst ohne ein Stückchen blauen Himmel zu fotografieren, muss Hoch ganz schön suchen. Stundenlang warten, bis die Sonne wieder verschwindet. Und sich das Licht grau färbt, so neutral wie möglich. Am besten geht das ohnehin nachts, wenn die Erdbewohner in der Regel im Bett liegen und sich nicht vor seine Linse schieben können.

Zwar kommen offiziell keine Lebewesen bei Hoch vor, aber dafür werden immerhin ihre Werke gewürdigt. Keine Natur, nichts natürliches (die einzigen grünen Sträucher in Paris sind in einem Käfig), aber mit den Teppichen, Regalmetern, Sofaecken rückt haufenweise Menschengemachtes ins Bild und mit ihnen entsprechende Rückschlüsse auf ihre Schöpfer, ihre Nutzer.

Zwölf von Hochs Werken seit 1988 sind in der Kunsthalle zu sehen. Viel ist das nicht, mag man denken, aber Hoch gehört auch nicht zu denen die viel auf den Markt werfen. „Jeden Tag werden in der Welt hunderttausende Fotos produziert. Da gehört schon ganz schön Mut dazu, auf diesen Stapel noch was drauf legen zu wollen.“ Das was Hoch da drauflegt, muss gut sein, „das Beste was für mich möglich ist.“ Und im Jahr sind das vielleicht eher zehn als 20 Fotografien.

Dorothee Krumpipe

„Matthias Hoch. Fotografien aus der Sammlung Bernd F. Künne“. Die Ausstellung in der Kunsthalle Bremen ist noch bis zum 19. Mai zu sehen. Am Dienstag 23. April findet ein Künstlergespräch mit Matthias Hoch statt.