Keine Garantie für Sachsens Hochschulen

Um die Kürzungen des Exfinanzministers Milbradt abzuwenden, haben sich Sachsens Rektoren auf einen Vertrag eingelassen. Nun müssen sie die Mogelpackung flugs unterzeichnen – bevor Georg Milbradt Ministerpräsident wird

DRESDEN taz ■ Die Geschichte begann auf der Haushaltsklausur des sächsischen Kabinetts im Juni des Jahres 2000. Der damalige Finanzminister Georg Milbradt (CDU) schlug damals vor, jede sechste der rund 10.000 Stellen an Sachsens Hochschulen zu streichen. Der weit über das Land hinaus bekannte Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer (CDU) verweigerte seine Zustimmung zur Haushaltvorlage – ein bislang einmaliger Vorgang in Sachsen.

Also wurde ein externes Gremium zur Streitschlichtung innerhalb des Kabinetts gegründet. Die so genannte Hochschulentwicklungskommission empfahl prompt geringere Kürzungen. Und sie regte an, zwischen dem Freistaat und den Hochschulen eine Rahmenvereinbarung zu schließen. Meyers Wissenschaftsministerium taufte den beabsichtigten Kontrakt euphemistisch „Hochschulkonsens“. Ein Begriff, über den nach fünf Monaten zäher Verhandlungen niemand mehr lachen kann.

Dennoch ist Eile geboten. Der Hochschulkonsens muss unter Dach und Fach. Denn der von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf entlassene Exfinanzminister und Kürzungsfetischist Milbradt schickt sich inzwischen an, selbst Ministerpräsident in Sachsen zu werden. Wissenschaftsminister Meyer schrieb dazu in einem Zeitungsaufsatz launig: „Dass er (Milbradt) Ministerpräsident von Sachsen wird, kann ich weder ihm noch uns wünschen.“ Auch Kurt Biedenkopf hat die Bedeutung des „Konsenses“ in der Fehde mit seinem Intimfeind Milbradt erkannt. Er stilisierte den Kontrakt mit den Hochschulen zu seinem Abschiedsgeschenk an die Sachsen.

Biedenkopf selbst war es, der vergangenen Donnerstag mitteilte, der Freistaat und die Hochschulen hätten sich über die Kürzungen geeinigt. Über die genauen Inhalte darf freilich weiterspekuliert werden. Erst am 11. März soll die Vereinbarung unterschriftsreif vorliegen. Was für ein hübscher Handel hatte es werden sollen: Stellenabbau an den Hochschulen sollte gegen Planungssicherheit für die wissenschaftlichen Ausbildungsstätten bis zum Jahr 2010 getauscht werden.

Nicht verhandelbar

Die fromme sächsische Staatsregierung empfiehlt den sächsischen Hochschulen aber offenbar den christlichen Leitspruch „Geben ist seliger denn nehmen“. 715 Stellen müssen sie bis 2008 abbauen. Geht es dem Landeshaushalt schlecht, sogar über 1.000 bis 2010. Diese Vorgabe war für die Staatsseite nicht verhandelbar. Der Stellenverlust also ist gewiss – und wo bleiben die Sicherheiten? Volker Bigl, Präsident der Landesrektorenkonferenz, mag auf die Frage nicht antworten – denn es gibt keine.

Nominell sollen die Gesamtzuschüsse des Freistaates in den nächsten Jahren zwar konstant bleiben. Strittig ist aber schon der Anteil eines so genannten Innovationsbudgets. Die Rektoren der sächsischen Hochschulen sehen es als viel zu niedrig an. Zudem dürfen die Hochschulen einen Inflationsausgleich nicht erwarten. Muss der Freistaat außerdem sinkende Gesamteinnahmen beklagen, kann er die Hochschulzuschüsse weitersenken. Schließlich hat sich Finanzminister Thomas de Maizière (CDU) ausbedungen, die Hochschulen auch künftig nicht von außerordentlichen Haushaltssperren auszunehmen. Für die Hochschulen bedeutet der „Konsens“ unter dem Strich: Es wird garantiert gekürzt, und es wird unter Umständen auch noch zusätzlich gekürzt.

Dennoch haben die Rektoren der Hochschulen ein Interesse an dem vermeintlichen Vertrag. Sie ahnen, dass es unter der Regentschaft eines Georg Milbradt noch schlimmer kommen könnte – er hatte als Finanzminister ursprünglich ein Drittel der Stellen an sächsischen Hochschulen kürzen wollen. Und die Rektoren hoffen auf die selbstständige Bewirtschaftung ihrer Mittel. Auch dies wäre ohne Vertrag nicht möglich.

Statt eines Landeshochschulplans, den das Wissenschaftsministerium hätte erarbeiten müssen, läuft strukturell nun vieles auf eine schlechte Besitzstandswahrung hinaus – was früher einmal ein Reizwort für den Theoretiker Biedenkopf war. Jetzt geht es unter Zeitdruck um den schönen Schein einer Hochschulvereinbarung, die so elastisch ist, dass man auf ihren Grund nicht bauen kann. Die schon gar keinen bildungspolitischen Impuls auslöst, weil sie die Trockenbrotration für die Hochschulen nur ein wenig streckt. Ein Umsteuern hätte in einem so schwachen Land wie Sachsen freilich auch eine radikale Prioritätenverschiebung erfordert. Die sächsischen Jusos forderten die Hochschulen inzwischen auf, im Interesse ihrer Würde den Vertrag nicht zu unterzeichnen.

MICHAEL BARTSCH