ARBEITSBESCHAFFUNGSMASSNAHMEN MIT EIGENSINN – EINE EHRENRETTUNG
: Ihlows Friedhof hat wieder eine Mauer

Das alte Gutshaus, der alte Dorfteich, die alte Kirche – im Prinzip war das brandenburgische Dorf Ihlow vor ein paar Jahren sehr schön. Tatsächlich aber war es deprimierend. Wo hörte das Ufer auf, wo fing der Friedhof an? Die Ruine einer Mauer war zwar noch zu sehen. Aber in östlicher Strukturlosigkeit gingen Matsch und Schotter ineinander über. Jetzt ist diese alte Kirchhofsmauer von Ihlow wieder aufgebaut. Feldstein auf Feldstein wurde sie in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme aufgerichtet und mit Ziegeln abgedeckt. Ein gutes Stück Handwerk. Kirche und Friedhof sind eingehegt und bieten wieder ein liebenswertes Bild ewiger Geborgenheit.

Wie hat wohl die Bundesanstalt für Arbeit diese Maßnahme verbucht? Wir hören ja zurzeit mit Entsetzen, dass sich diese Anstalt überhaupt nicht für die Ergebnisses ihrer Anstrengungen interessiert und deren Output nicht kontrolliert hat. Gibt es da kein Aktenstück, das sagt: Der Friedhof von Ihlow hat wieder eine Mauer? Hat da niemand ein Foto des schönen Ensembles eingeklebt?

Nein, das sowieso nicht. Als Output von ABM-Maßnahmen gilt nicht das Ergebnis ihrer Arbeit. Als „Qualitätskontrolle“ gilt auch nicht die Information, ob den ABMlern die Arbeit womöglich Spaß gemacht, ob sie sie mit Stolz erfüllt hat. Die Öffentlichkeit regt sich stattdessen darüber auf, dass die Buchführung über die Eingliederung der Teilnehmer in den ersten Arbeitsmarkt nicht stimmt. „Was kommt danach?“, ist die einzige Frage, an der man Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen misst. Ihr reales Produkt ist gleichgültig.

Jahrelang lang haben die Linken darüber schwadroniert, dass sich der Mensch nur in der Arbeit verwirklicht, und zwar nur in der „unentfremdeten“, mit anderen, heutigen Worten: der gemeinnützigen Arbeit. War dieser Marx’sche Gedanke so falsch, dass man die tatsächlich erledigte Arbeit und ihre psychologischen Effekte jetzt völlig ignorieren könnte? Es ist kein größerer Erfolg, ein halbes Jahr lang im Baumarkt Waren herumzuschleppen, als in dieser Zeit den Lebenden und den Toten eine Mauer zu bauen. SIBYLLE TÖNNIES