Bisher reden nur die Eliten

Dialog mit dem Islam wollen alle, auch auf einer CSU-nahen Tagung. Aber weder die Mehrheit der Deutschen noch die der hier lebenden Muslime beteiligen sich daran

BERLIN taz ■ Wenn Deutschland ein integrationsfähiges Einwanderungsland werden will, muss der Austausch mit den hier lebendenden Vertretern des Islam verstärkt werden. Darüber waren sich die Teilnehmer der Tagung „Dialog mit dem Islam“, zu der gestern die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung lud, zumindest auf dem Podium einig.

Mehr als klar war daher die Reaktion, als einzelne Stimmen aus dem Publikum mit der Abschiebung „nicht integrationswilliger Ausländer“ eine Alternative anzubieten versuchten. „Es gibt keine zu verantwortende Alternative zum Dialog“, sagte der Vorsitzende der evangelischen Akademien, Rolf Hanusch.

Seit über zwölf Jahren diskutierten Kirchenvertreter, Wissenschaftler und Politiker mit Muslimen, „aber wir lernen gerade erst, dass die islamischen Glaubensrichtungen auch unterschiedlich gesprächsbereit sind“, sagte Hanusch. Damit benannte er ein altbekanntes Dilemma: Der Islam spaltet sich in viele verschiedene Richtungen; hat man sich mit den einen verständigt, heißt das nicht, dass man die Bedürfnisse der anderen berücksichtigt hat.

Erst vor knapp zwei Wochen veröffentlichte der Zentralrat der Muslime die erste „Islamische Charta“. In 21 Punkten bekannte er sich damit unter anderem zu Demokratie und Menschenrechten. Damit hätten sich die beteiligten Muslime „weit aus dem Fenster gelehnt“ und bewusst von den Rechts- und Wertvorstellungen ihrer Herkunftsländer emanzipiert, sagte Aiman Mazeyk vom Zentralrat. Die Charta könne nun die Grundlage für weitere Diskussionen sein. Harsche Kritik musste Mazeyk, der einzige Muslim auf dem Podium, trotzdem vor allem von den beiden Islamwissenschaftlern Tilman Nagel und Hans-Peter Raddatz einstecken.

Die Konflikte zwischen den modernen Forderungen und Einstellungen der Charta und den obersten Rechtsfindungsgremien des Islam seien nicht richtig durchdacht, kritisierte der Göttinger Professor Nagel. Auch der Münchner Wissenschaftler Raddatz bezweifelte, dass sich viele in Deutschland lebende Muslime zu der Charta bekennen würden, da dies gleichzeitig den Verstoß gegen zahlreiche Glaubensvorschriften bedeuten würde. Ein „Dialog des Islam mit dem Islam“ sei daher nötig, befand der außenpolitische Sprecher der CSU-Bundestagsfraktion, Christian Schmidt. Die in Deutschland lebenden Muslime müssten zwischen Europa und ihren Herkunftsländern vermitteln.

Doch bevor dieser heikle Dialog begonnen werden kann, muss der Austausch der in Deutschland lebenden Christen und Muslime erfolgreicher werden. Der bisherige Kontakt zwischen den Eliten beider Parteien schaffe nur eine Illusion von Verständnis, so die Kritik auf dem Podium. Bisher hätten sich weder die Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime beteiligt noch das Gros der deutschen Bevölkerung, kritisierte Raddatz. Gerade bei den Menschen, die täglich mit Missverständnissen und daraus resultierenden Problemen aufeinander treffen, müssten die Integrationsbemühungen aber ansetzen.

NADIA LEIHS