Gefesselt im Kokon Einsamkeit

■ Dauerkrise Zweisamkeit: Theater Orange zeigt Mastrosimones „Tagträumer“

Menschen aus Fleisch und Blut. Wollen wir die eigentlich noch in unserer Nähe haben? Menschen schwitzen, fluchen und benehmen sich daneben. Ist nicht der Traum vom Anderen viel schöner als derjenige selbst? Tagträumer ist ein Stück über das Nicht-Zulassenkönnen von Nähe. Das Theater Orange hat daraus einen eindrucksvollen Abend gemacht. In der kleinen Spielstätte in der Schanzenstraße sind die Zuschauer dem gleichen Phänomen ausgesetzt wie die Figuren im Stück: der Unmittelbarkeit des Gegenübers.

Zum Inhalt: Rose ist Verkäuferin in einem Supermarkt. Eines Abends bringt sie den LKW-Fahrer Cliff mit nach Hause. Sein Truck ist liegen geblieben, er muss die Zeit der Reparatur überbrücken. Warum also nicht schnellen Sex haben? Doch in der kleinen Wohnung geraten zwei schwierige Charaktere aneinander. Rose hat sich von der Welt zurückgezogen und beschäftigt sich mit ihren Träumen von perfekten Männern, von unschuldigen Tieren und einer besseren Welt. Cliff versucht über sarkastische Geschichten und Sprüche mit seiner inneren Einsamkeit zurecht zu kommen. In sich versunken die eine, polternd der andere. Kann das gut gehen?

Friedemann Wulfes hat einfühlsam Regie geführt. Die Zuschauer bekommen Gelegenheit, sich zurückzulehnen und das Gefangen-sein der Figuren zu betrachten. Währenddessen ringen Rose und Cliff nach Worten oder sind in ihre Traumwelten eingesponnen. Inka-Charlotte Palm spielt eine Geschlagene, der man die Angst vor neuen Wunden anmerkt. Man meint ihre Rose zu kennen aus dem Laden an der Ecke. Jens Richter spielt den Cliff mit rudernden Armen und vielen lauten und leisen Tönen. Die Figur könnte in ihrer anfänglichen Verständnislosigkeit etwas böser sein.

Die Bühne ist aus dem Leben gegriffen. Die Räumlichkeiten dienen eigentlich als Probebühne. Bei den Proben hat sich irgendwann die Ecke mit der Teeküche als Spielort angeboten. Das hat schon etwas vom Film-Dogma 95: Gespielt wird an Originalschauplätzen. Und es passt. Die 40 Zuschauer sind hautnah dabei. Man meint eingreifen zu können – und zu müssen. Bei der Premiere drehte sich manches Pausengespräch um Rose und Cliff. Wie hat sie ihn eigentlich abgeschleppt? Ist das plausibel? Jedenfalls nicht unmöglich in diesem Lebenschaos. Christian Rubinstein

weitere Vorstellungen: morgen bis Sonntag, 10.3., 20 Uhr, Schanzenstraße 12 (Hinterhof), Kartenvorbestellung unter Tel. 420 52 02