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Böses Urteil gegen Ärztefunktionäre

■ Die „Besserstellung“ der Praxis des Vize-Chefs der Kassenärztlichen Vereinigung war „rechtswidrig“

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Bremen, die als Selbstverwaltungsorgan der Ärzte und Kassen das Geld der Versicherten auf die Ärzte verteilt, war ges-tern niemand zu sprechen. Was hatte die Krisensitzung ergeben, die Dienstag bis weit nach Mitternacht angedauert hatte? Kein Kommentar.

Die Vertreterversammlung der KV hatte am Vorabend die beiden Vorsitzenden „aufgefordert, persönliche Konsequenzen zu ziehen“ aus der Tatsache, dass ihnen „rechtswidriges Verhalten nachgewiesen“ worden sei. Auf Deutsch: Sie sollen zurücktreten. Falls sie das nicht tun, ist der Termin für die Sondersitzung schon vereinbart, auf der ihre Absetzung beschlossen werden soll.

Betroffenes Schweigen herrschte Dienstagabend auf der Vertreterversammlung der KV, als der frühere Verwaltungsgerichtspräsident Karl-Ludwig Kuhlmann den Bericht des Untersuchungsausschusses vortrug. Ergebnis: Der Geschäftsführer der KV, Klaus Stratmann, und der stellvertretende Vorsitzende Dr. Andreas Rüggeberg hätten in einem Vier-Augen-Gespräch verabredet, wie der Gemeinschaftspraxis Rüggeberg in der Abrechnung mit der KV ein erheblicher finanzieller Vorteil eingeräumt werden könnte. Die Justitiarin der KV, die dies intern schon vor einem Jahr beanstandet hatte und seitdem mit arbeitsrechtlichen Verfahren überhäuft und nach allen Regeln der Kunst gemobbt wird, habe in der Sache Recht gehabt.

Nach einer Unterbrechung der Sitzung hatte Rüggeberg erklärt, all das sei eben „eine fehlerhafte Beschlussfassung“ gewesen, er habe „gutgläubig“ auf die „Handlungskompetenz der handelden Personen“ gesetzt und darauf, dass „politische Entscheidungsfindungen möglich sein müssten“. Inzwischen wisse er, dass der Vorstand der KV in seiner Handlungsfähigkeit „deutlich mehr eingeschränkt“ sei als er damals glaubte.

Diese Interpretation einer rechtswidrigen Handlung zum eigenen Vorteil beschreibt der Untersuchungsbericht anders: Der Geschäftsführer Stratmann und Rüggeberg „wussten, dass die Berechnung nicht mit den Richtlinien übereinstimmte“, die die Praxis Rüggeberg begünstigte. Wörtlich heißt es in dem Bericht: „Dr. Rüggeberg meint auch jetzt noch, dass die Ärzteschaft rechtliche Grenzen überschreiten dürfe, wenn sie berufspolitisch tätige Ärzte wirtschaftlich absichern wolle.“ Der Zulassungsausschuss, dessen Vorsitzender Rüggeberg damals war, hatte den Vorgang sogar abgesegnet, ohne dass bei der Sitzung die Zahlen vorlagen.

Nachdem die betroffenen Vorsitzenden die Chance, mit einer persönlichen Erklärung zu reagieren, derart vertan hatten, beschloss die Versammlung, ohne Öffentlichkeit und ohne die Beschuldigten weiter zu beraten. Nach dem Bericht von Beteiligten dauerte dies fast drei Stunden, Ergebnis war die unmiss-verständliche Aufforderung, doch „Konsequenzen“ zu ziehen. Ges-tern waren die beiden dazu offenbar nicht bereit. Auch der Geschäftsführer der KV wird kaum zu halten sein, wenn seine beiden Vorsitzenden wegen der Vorgänge den Hut nehmen müssen. „Ein Scherbenhaufen“, meinte ein Mitglied des KV-Vorstandes dazu.

In einer persönliuchen Erklärung hatte der Richter Kuhlmann versichert, er sei „außerordentlich betroffen“ über das, was er da vorgefunden habe. „Mit solchen Entscheidungen“ bringe man die Selbstverwaltung in Gefahr. Zudem leide das Bild der Ärzte , wenn ihre Vertreter sich nicht an Rechtsnormen hielten.

Die Präsidentin der Ärztekammer, Dr. Ursula Auerswald, ist im Urlaub und war auf der Sitzung nicht anwesend.

K. W.

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