In Schönheit scheitern

Ist die Kanareninsel La Palma tatsächlich eine „Rentnerendlagerstätte“?

Der Kontakt zum Wasser wird durch landschaftliche Besonderheiten massiv erschwert

Über die Schönheiten der hochgebirgsartigen Kanareninsel La Palma ist immer wieder ganz Unterschiedliches zu hören. Nur wenige Tage vor dem Abflug auf die Insel war noch eine dringende Reisewarnung für dieses Gebiet ausgegeben worden. La Palma sei eine deutsche „Rentnerendlagerstätte“ mit staubigen Stränden und lärmendem Personal, deutete Klaus Bittermann auf der Wahrheit am 5. Februar 2002 an und verbreitete schlagartig düstere Stimmung. Dann der Ausgleich. Mit den Worten „Schätzchen, da kunnst gar nix fulsch machen“ kommentierte der sowohl in alpinen als auch in maritimen Angelegenheiten äußerst beschlagene Horst Tomayer das Reiseziel Tazacorte auf La Palma. Damit stand Aussage gegen Aussage. Keine davon trifft zu.

Zweifellos ist sie nicht die attraktivste, dafür aber die lustigste Insel der Welt, auf der die Kategorien des Scheiterns und der Niederlage aufs Liebevollste gepflegt werden. Dinge falsch anzupacken ist also exakt das Verhalten, das dort von einem gefordert wird, wenn man nicht unangenehm auffallen will.

Ein herausragendes Beispiel des Scheiterns gibt das seit Jahrzehnten aufstrebende Puerte de Tazacorte ab, das sich seinen ursprünglichen Charakter als Fischerdorf hat bewahren können, sieht man von den nüchternen Neubauten, die den Ort dominieren, einmal ab. Die unumstritten größte Attraktion des von schwarzen wulstigen Gebirgsmassen eingeschlossenen Ortes ist zweifellos eine seit Jahren im Aufbau begriffene riesige betonierte Badeanlage, die ein enormes Hindernis auf dem Weg zum Strand darstellt. Dass die Bautätigkeiten über große Zeiträume ruhen, weiß der mit Blick auf die Fragmente eines künftigen Spaßbads wohnende Tourist durchaus zu schätzen. Weitgehend beschränkt sich die Realisierung des Bauvorhabens auf die Pflege der in und um die projektierten Schwimmbecken angelegten Palmengärten. Damit wird pünktlich um sieben Uhr morgens begonnen. Es gilt, die Schönheit der Pflanzungen mit einer Motorsäge zu erhalten und struppige Stämme auch gegen deren massiven Widerstand akkurat in Form zu sägen. Insgesamt aber muss der Versuch, eine Anlage mit geradezu magnetischer Wirkung auf Touristen zu errichten, als gescheitert betrachtet werden.

Denn noch immer ballt sich der Tourismus auf der anderen Seite der Insel an der wolkenverhangenen Ostküste. Es geschafft zu haben, den dröhnenden Flug- und Seehafen, die von Baugerüsten verstellte Hauptstadt und das reizvolle Industriegebiet sowie insbesondere die großen Ferienanlagen auf einem einzigen Teilstück der keineswegs umsonst Regenseite genannten Ostküste zusammenzuziehen, ist ein inselplanerischer Geniestreich, der uneingeschränkte Bewunderung verdient. Zumal die Ausweichmöglichkeiten für die im Regenkessel eingeschlossenen Urlauber äußerst begrenzt sind. Zwar wird die Insel naturgemäß von Wasser umspült, so dass der umherkurvende Autofahrer das Meer immer steil unter sich und dicht vor Augen hat, allerdings wird der nähere Kontakt zum Wasser durch landschaftliche Besonderheiten massiv erschwert. Eher gelingt eine Flucht von Alcatraz, als dass der Badelustige den Abstieg zu den berühmten schwarzsandigen Stränden schafft, ohne von nachstürzenden Geröllmassen erfasst zu werden. Deshalb bleibt nur der skeptische Blick von den Steilklippen auf dunkle Traumstrände, die an die Abraumlandschaften im Duisburger Hafen erinnern. Praktischerweise aber herrscht wegen des tödlichen Wellengangs zumeist ein strenges Badeverbot. So gesehen stimmt es dann auch, dass man auf La Palma überhaupt gar nichts falsch machen kann. HEIKE RUNGE