„Scharnagl ist kein Freundeskreis“

Bisher haben der rote und der schwarze Freundeskreis die Suche nach einem ZDF-Intendanten unter sich ausgemacht. Herausgekommen ist bisher gar nichts. Und die parteiunabhängigen Fernsehräte? Die haben jetzt auch ein Treffen angesetzt

Am Samstag versuchen die ZDF-Fernsehräte zum dritten Mal, einen Intendanten zu wählen. So langsam wird es auch Zeit: Dieter Stoltes Amtszeit endet am 14. März. Übrig vom letzten Wahlgang sind als Kandidaten ZDF-Programmchef Markus Schächter und ARD-Programmchef Günter Struve. Um den Karren aus dem Dreck zu ziehen, treffen sich nun erstmals die parteiunabhängigen Fernsehräte, die sich bisher meist einem der Freundeskreise angeschlossen hatten. Eingeladen haben Barbara Barsch (Institut für Auslandsbeziehungen in Berlin) und NABU-Chef Jochen Flasbarth. Mit der taz unterhielt er sich über seinen Vorstoß.

taz: Sind zwei Freundeskreise nicht genug – wollen Sie jetzt noch einen dritten gründen?

Jochen Flasbarth: Nein, das haben wir auch in der Einladung klargemacht. Es geht nicht um die Gründung eines Freundeskreises. Wir treffen uns, damit die Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen sich austauschen können.

Kommen denn alle?

Wir haben 47 Vertreter eingeladen. Ich nehme an, dass die Sitzung gut besucht sein wird.

Sind Sie nicht ein bisschen spät dran mit Ihrem Vorstoß?

Natürlich kann man immer sagen, man hätte früher handeln müssen. Aber ich finde es falsch, dass in den vergangenen Wochen gelegentlich so getan wurde, als hätten die gesellschaftlichen Vertreter im Fernsehrat durch die bisher gescheiterten Intendantenwahlen eine Krise des ZDF herauf beschworen. Unser Treffen am Freitag wird sicher keine homogene Veranstaltung, bei der alle einer Meinung sein werden. Ob es einen gemeinsamen Willen gibt, etwas gegen den Parteienproporz zu unternehmen, kann ich nicht sagen. Vielleicht herrscht auch die Meinung vor, alles sei gut. Ich glaube aber, dass der Druck auf alle 77 Mitglieder mit jedem Tag steigt.

Heißt das, der unter Druck geratene Fernsehrat wird sich womöglich auf irgendeinen Kandidaten einigen – nur um endlich einen neuen Intendanten präsentieren zu können?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Kompetenz muss das unabdingbare Kriterium sein.

Seit gestern ist nun ein neuer Name im Gespräch: Manfred Harnischfeger, Vorstandsmitglied bei Bertelsmann. Wie stehen Sie denn zu diesem Vorschlag?

Ich freue mich, dass endlich wieder Bewegung in die Diskussion kommt. Wenn Herr Harnischfeger zur Verfügung steht, bin ich gespannt auf seine Vorstellung.

Aber es heißt, dass der Vorschlag bereits von beiden Freundeskreisen getragen wird.

Die Freundeskreise tagen erst am Freitag, also kann man das auch erst danach sagen.

Wilfried Scharnagl vom unionsnahen Freundeskreis soll bereits zugestimmt haben.

Davon weiß ich nichts. Und im übrigen: Herr Scharnagl ist ein wichtiger Mann, aber kein Freundeskreis.

Haben die parteigebundenen Mitglieder im Fernsehrat generell mehr Einblick?

Formal nicht. Im übrigen hängt das natürlich auch sehr vom individuellen Engagement jedes einzelnen Mitgliedes ab.

Sie haben dem Verwaltungsrat Versagen vorgeworfen.

Mein Vorwurf ist: Der Verwaltungsrat hat für die Besetzung der ZDF-Spitzenposten ein System des politischen Proporzes eingerichtet. Nicht genug, dass die Mitarbeiter des Senders darunter leiden – dieses System erschwert es natürlich jedem hausinternen Kandidaten eine ausreichende Mehrheit zu gewinnen. Schauen Sie: Programmdirektor Markus Schächter wird dem konservativen Lager, Chefredakteur Nikolaus Brender dem sozialdemokratisch geprägten zugerechnet. Dass die Posten nicht umgekehrt verteilt sind, liegt auch daran, dass die Spitzenfunktionen in einem festen System auf die Lager verteilt sind. Deshalb hätte – um beim Beispiel zu bleiben – Brender niemals Programmdirektor werden können und Schächter niemals Chefredakteur. Diese festgefügten Proporzstrukturen halte ich für ein Kernübel. Und das ist nicht durch den Fernsehrat, sondern durch den Verwaltungsrat zu verantworten.

Und die Intendantenwahl?

Man kann die bisherigen Wahlergebnisse im Fernsehrat ja auch so interpretieren, dass man gerade aus diesem Proporzdenken ausbrechen möchten. Und das gelingt meiner Meinung nach durch die eben beschriebenene Situation besser mit einem Kandidaten von außen.

Sollte man die Freundeskreise nicht ganz abschaffen?

Ich glaube schon, dass es günstig ist, die großen Sitzungen in kleineren Gruppen vorzubereiten. Ich war vier Jahre im Fernsehrat, ohne einem Freundeskreis anzugehören – und habe gemerkt, wie schwierig das ist. Gegen die Bildung von Fraktionen habe ich nichts; die Frage ist aber, ob sie wie bisher von den politischen Parteien geprägt sein müssen.

Kann man damit rechnen, dass die Unabhängigen nach der Intendantenwahl einen Freundeskreis bilden werden?

Das weiß ich nicht. Aber ich würde mir wünschen, dass wir öfter unabhängig von den Freundeskreisen ins Gespräch kommen.

Sie haben sich bisher dem roten Freundeskreis angeschlossen. Dürfen Sie da noch hin?

Ja, ich werde am Freitag im Anschluss an unser Treffen wie gewohnt an den Freundeskreisberatungen teilnehmen.

INTERVIEW: ALEXANDER KÜHN