Temelín-Betreiber gehen aufs Ganze

In dem umstrittenen tschechischen Atomkraftwerk soll jetzt auch Reaktorblock 2 gestartet werden. Dabei sind die Probleme mit dem ersten, für die die Atomaufsicht den Betreiber kritisiert hatte, längst nicht gelöst

Ausgerechnet Kanzlerkandidat Stoiber (CSU) ist die Hoffnungder Atomgegner

PRAG taz ■ Schon im April soll es aus dem südböhmischen Atomkraftwerk Temelín so richtig dampfen. Laut Plan der Kraftwerksleitung soll bis dahin nicht nur der störanfällige erste Reaktor seinen Betrieb wieder aufgenommen haben, sondern auch die Kettenreaktion im zweiten Block gestartet worden sein.

Am vergangenen Montag hatte die tschechische Nuklearaufsichtsbehörde (SUJB) ihre Zustimmung zur Brennstofflieferung für Block 2 erteilt. Noch am gleichen Tag begann man in Temelín, die ersten der insgesamt 163 Brennstäbe mit einer Gesamtmasse von 92 Tonnen in den Reaktor einzuführen. Bis Mitte kommender Woche sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. „Innerhalb eines Monats könnte die erste Kettenreaktion gestartet werden“, erklärt Temelín-Sprecher Milan Nebesář.

Währenddessen wird im ersten Block, der am letzten Sonntag im Februar abgestellt wurde, kräftig repariert. Man müsse die kaputten Armaturen – die deutscher Herkunft sind, wie die Kraftwerksleitung immer wieder betont – ersetzen, heißt es aus Temelín. Diese sollen für den Störfall von Anfang Februar verantwortlich sein. Bei diesem hatte sich der Reaktor selbst ab- und seine Notkühlung angestellt. Offenbar noch beunruhigender für die Betreiber war, dass das Sujb den Betrieb in Temelín zum ersten Mal offen kritisierte – obwohl es zuvor schon knapp 30 Störfälle gegeben hatte.

Temelín-Gegner fragen sich allerdings, ob der Reaktor wirklich nur wegen Reparaturen im nichtnuklearen Teil abgeschaltet wurde. Laut Greenpeace soll die Polizei in der Kreisstadt České Budějovice einen Fall vom vergangenen Jahr wieder aufgenommen haben, bei dem angeblich kaputte Schweißnähte direkt am Reaktor untersucht werden müssten.

Die Arbeiten in Block 1 sollen nun endgültig die letzten vor Aufnahme des Probebetriebs sein. Der verzögert sich seit dem Start der Kettenreaktion im Oktober 2000 wegen wiederholter Störfälle und Probleme mit der Temelíner 1.000-Megawatt-Turbine um Monate.

In Block 2 soll das anders werden. Die Temelíner Führung spricht davon, dort den Probebetrieb schon im August aufzunehmen. „Sämtliche Maßnahmen, die wir nach unseren Erfahrungen im ersten Block realisiert haben, haben wir auch im zweiten Block durchgeführt“, bekräftigt Temelín-Direktor František Hezoučký. Deshalb erwarte er keinerlei Probleme.

Schwierigkeiten könnte allerdings die Politik machen. Allgemein wird erwartet, dass Temelín ein heißes Wahlkampfthema sein wird – nicht nur in Tschechien, wo im Juni gewählt wird, sondern auch in Deutschland. Nachdem die bayerische Landesregierung Mitte Februar Tschechien zur Stilllegung Temelíns aufgefordert hatte, ist ausgerechnet Kanzlerkandidat Edmund Stoiber CSU) zur großen Hoffnung der Atomkraftgegner geworden. ULRIKE BRAUN