Die Stadt hat ihre eigenen Räder

Stadträder – eine Modellgruppe im rasanten Wandel. Das urbane Fahrrad ist robust und zugleich wendig, belastbar und doch schnell. Optisch hat sich auch bei „Herren“-Rahmen das voluminöse Rohr durchgesetzt. Wie viel Technik gibt’s für wie viel Geld?

Der oben offene Einrohrrahmen gibt dem Rad die nötige Steifigkeit Die Oversized-Konstruktionen können sich positiv auswirken

von HELMUT DACHALE

Rund ein Viertel aller in Deutschland abgesetzten Velos wird als Stadtrad oder City-Bike verkauft. Für jeden Händler ein Muss. Zum Auftakt der Saison stehen sie in den Läden in der ersten Reihe – und sind angeblich noch komfortabler und noch sicherer geworden. So reden manche Hersteller auch lieber vom Komfortrad, meinen aber meistens den gleichen Typ: das urbane Fahrrad für jeden Tag. Robust, aber wendig. Belastbar und doch einigermaßen schnell.

Was zuerst einmal auffällt: Im Preissegment ab ungefähr 400 Euro hat sich das dicke Rohr durchgesetzt. Selbst bei vielen der so genannten „Herren“-Rahmen – grundsätzlich die stabilste Form überhaupt – ist wenigstens das Unterrohr überaus voluminös geworden. Und bei den Unisex- oder Einrohrmodellen scheint kaum noch ein Konstrukteur auf gewaltiges Gestänge verzichten zu wollen. Gute Verarbeitung vorausgesetzt, gibt das auch dem oben offenen Einrohrrahmen eine brauchbare bis hervorragende Steifigkeit, macht das Fahrrad aber nicht unbedingt schwerer: Der barocke Stil basiert üblicherweise auf einer hochwertigen Stahllegierung – etwa Chrommolybdän (CrMo) – oder auf Aluminium.

„Cromolly“ ist zwar kaum leichter als normaler Stahl, lässt aber dünnere Wandstärken zu, sodass ein derartiger Rahmen spürbar weniger auf die Waage bringt. Möglich ist das, weil CrMo zugfester als unvermischter Stahl ist, überdies soll es die Dauerschwingfestigkeit erhöhen. Anders bei Alu: Sein spezifisches Gewicht beträgt etwa ein Drittel des normalen Stahls. Da es jedoch auch erheblich „weicher“ ist, werden halt Alurohre mit größerem Durchmesser und etwas erhöhter Wandstärke verbaut. Diese angesagten Oversized-Konstruktionen können sich grundsätzlich positiv auswirken. Sie erlauben ordentliche Zuladungen, ohne dass man den sofortigen Rahmenbruch befürchten muss, machen das Fahrrad aber nicht untragbar. Nicht unwichtig beim Einladen in Bus oder Bahn.

Typische Stadträder dieser Bauart werden zum Beispiel unter dem Traditionslabel „Diamant“ angeboten. Nehmen wir das „Beryll“: Für etwa 600 Euro bekommt der Käufer den gehobenen City-Mainstream des Jahrgangs 2002: Alu-Einrohr-Rahmen, Siebengang-Nabenschaltung, die einen Kettenschutz zulässt, Federgabel, Vertrauen erweckende V-Brakes plus Rücktrittbremse, Alufelgen, schöne breite Reifen, Halogenscheinwerfer, Standrücklicht und einen Seitenläufer als Dynamo. Technik, die auf alle Fälle dem derzeitigen Standard entspricht.

Ähnliches wird in der Bielefelder Fahrradfabrik Kurt Gudereit montiert. 1999 wurde deren Modell „Cityline Fantasy“ im Stadtrad-Test der Stiftung Warentest mit dem Qualitätsurteil 2,1 bedacht – nun ist zusätzlich ein „Fantasy Plus“ zu haben. Für rund 650 Euro gibt es hier ebenfalls einen Alurahmen (H-Version mit überdimensionierten Rundungen), sieben Gänge und Federgabel, aber außerdem noch gefederte Sattelstütze und Nabendynamo. Also ein Kraftwerk, das verspricht, bei jeder Witterung zu arbeiten. Und der auf Sicherheit bedachte Radler darf sich zudem an einer mitdenkenden Halogenleuchte erfreuen, die sich bei Dämmerung selbst einschaltet.

Steigerung ist möglich – keine Frage. Für Rahmenkonstruktionen, die wirklich futuristisch anmuten, für außergewöhnliche Komponenten und dementsprechende Preise steht die Firma Riese und Müller. Ihre aktuelle „Culture“-Modifikation „silver“ kann mit der neuesten Innovation aus dem Hause Sram aufwarten: „Dual Drive“, eine 27-gängige Kettennaben-Schaltungskombination, die einhändig bedient wird. Weitere Hightechteile, dazu Vollfederung und 26-Zoll-Felgen machen das „silver“ zu einem Fahrrad, das weit über die Stadtgrenzen hinaus zum Einsatz kommen kann. Trotz des Gewichts von 17,6 Kilo. Weit über Durchschnitt auch der Preis: So bei 1.600 Euro soll er liegen.

Liebhabern der klassischen Form könnte eher das „Avenue black“ ins Auge fallen, mit dem Riese und Müller eine gewagte Mixtur kredenzen. Vorne der unvergängliche Charme des Hollandrades, hinten eine hoch moderne Schwinge. In der verläuft sogar die Kette – vollkommen unsichtbar. Auch tiefer Durchstieg und aufrechte Sitzposition weisen dieses Rad als echtes City- Bike aus. Rahmenmaterial wie beim „Culture“: Alu. Und der Preis? Etwa 150 Euro billiger.