Fragwürdige Werte

Domini und US-Börse Nasdaq starten „Sozialaktien-Index“. Als nachhaltig gelten in den USA auch Genforschungsunternehmen. Marktkapitalisierung der Firma muss bei einer Milliarde Dollar liegen

Die Rating-Agentur Kinder, Lydenberg, Domini (KLD) Research & Analytics, Boston, hat gemeinsam mit der New Yorker Technologiebörse Nasdaq einen neuen Sozial-Index entwickelt. Er heißt KLD Nasdaq Social Index. Seine Titel werden aus den Unternehmen ausgewählt, die im Nasdaq für die Branchen Technologie, Finanzen und Telekommunikation geführt sind.

KLD ist die Agentur, die seit 1990 den ältesten ethisch motivierten alternativen Index betreut, den „Domini“. Als Kriterien für die Aufnahme in den neuen Index gelten laut KLD-Präsident Peter Kinder: Die Produkte und Investitionen der Unternehmen müssten sozialverträglich sein und die Marktkapitalisierung der Unternehmen über eine Milliarde Dollar betragen. Sozial verträglich bedeute hier unter anderem, dass die Unternehmen regelmäßig Umweltmonitorings durchführten und einen sozialen Umgang mit ihren Arbeitnehmern pflegten.

Kinder meint, mit dem Index besetzten Nasdaq und KLD eine wichtige Nische: „Der Markt für sozialverantwortliches Investment ist groß und ausgereift. Der Bedarf an stärker in diese Richtung spezialisierten Benchmarks ist gestiegen.“ Man habe deshalb ein Instrument entwickelt, das die Entwicklung auf Nachhaltigkeit geprüfter, liquider und wachstumsstarker Unternehmen im Technologie-Segment des US-Marktes messe.

KLD durchleuchte die Unternehmen mit Hilfe von Strategien, wie sie die meisten sozial orientierten Anleger bei der Auswahl ihrer Titel verwendeten. Die Prüfung erfolge auf Grund eines qualitativen Rankings sowie nach einer Reihe von Ausschlusskriterien. Das qualitative Rating, sagte Kinder, beziehe sich auf die Bereiche kommunales Engagement, Vielfalt, Beziehungen zu den Beschäftigten, Umwelt- und Produktsicherheit. Zu den sozialen Standards gehört für die Analysten bei KLD ein generöses Spendengebaren – die Firma sollte mindestens 1,5 Prozent des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (EBIT) der vergangenen drei Jahre für gute Zwecke gegeben haben. Die Spenden, so ein weiteres Kriterium, sollten Non-Profit-Organisationen unterstützen, die innovativ sind und Hilfe zur Selbsthilfe unter den ökonomisch Schwachen propagieren.

Negativ dagegen schlägt es in der Wertung zu Buche, wenn eine Firma Geld von einem in Verruf geratenen Finanzinstitut nimmt. Auch wenn die Folgen der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens für die Gemeinschaft Gegenstand öffentlicher Kontroversen geworden sind, wirkt sich das nach KLD negativ auf die „Sozialperformance“ aus.

„Solche Kontroversen können sich auf Umweltverschmutzung beziehen, auf Streitigkeiten um Wasserrechte oder andere Aktivitäten, die die Lebensqualität einer Kommune, ihre Steuerbasis oder Vermögenswerte beeinträchtigen“, heißt es in den Kriterien des KLD-Ratings für 2001.

Positiv in die Beurteilung, so Kinder, fließe es ein, wenn das Management oder wichtige Teile davon weiblich besetzt seien. Als sozial nachhaltige Eigenschaften gelten unter anderem die Beschäftigung Behinderter, eine Förderung von Familien, eine progressive Politik hinsichtlich homosexueller Mitarbeiter sowie soziale Programme für die Mitarbeiter im Ruhestand.

Förderlich für das Ranking eines Unternehmens sind außerdem Produkte, die Umwelt und Ressourcen schonen. Die Firma sollte beispielsweise über entsprechende Vorsorge-Programme verfügen, Recycling-Materialien verwenden und zudem alternative Energien nutzen. Neben dem qualitativen Rating kommen für den Index noch Ausschlusskriterien zum Tragen: So dürfen die Unternehmen nicht in „signifikanter Weise“ in die Bereiche Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Rüstungsaufträge und Atomenergie involviert sein.

Zu den 285 Titeln des Indexes gehören (Stand beim Start am 1. Januar 2002) Unternehmen der Computer- und Softwareindustrie wie Apple, Microsoft und Adobe. Auch Internet-Anbieter wie Yahoo oder Amazon.com. und Netzwerk-Technologie-Hersteller wie Cisco Systems. Einen erheblichen Teil der Liste machen Biotechnologie-Unternehmen und Pharmazeutik-Hersteller aus. Zu den Biotech-Titeln gehören Human Genome Sciences Inc. und Incyte Genomics Inc., die sich am Wettlauf um die Entschlüsselung des menschlichen Genoms beteiligen. Sie sind bekannt geworden durch die Praxis, Gensequenzen zum Patent anzumelden, deren medizinische Bedeutung noch nicht genau bekannt ist. Sie verstießen Kritikern zufolge gegen die im Human Genome Projekt vorgesehene Pflicht, der „Scientific Community“ die wesentlichen Forschungsergebnisse zugänglich zu machen. Im Sozial-Index sind zudem Pharmatitel wie Amgen, MedImmune und CV Therapeutics enthalten.

Peter Kinder zeigt sich indes überzeugt, der Index spiegele die Kaufentscheidungen sozial orientierter Anleger wider. Derzeit gebe es noch keine Fonds, die mit dem neuen Sozial-Index verknüpft seien. Dabei eigne er sich als Basis für eine Vielfalt von Finanzprodukten, wirbt der KLD-Chef. Das Unternehmen verhandele zurzeit mit Finanzinstituten, die entsprechende Produkte entwickeln wollten. „Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten zwölf Monaten Produkte auf den Markt bringen werden, die auf unserem Sozial-Index basieren“, so Kinder. VOLKER UPHOFF/
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