Eintrag ins Buch der Erinnerung

SPD arbeitet Geschichte des sozialdemokratischen Widerstandes auf  ■ Von Jochen Becker

Die Hamburger SPD besinnt sich spät auf ihre Vergangenheit. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkrieges versucht ein Arbeitskreis unter der Leitung von Landesvorstandsmitglied Christel Oldenburg, die Geschichte der unter den Nazis verfolgten Hamburger SozialdemokratInnen aufzuarbeiten. Widerständler und jene, die politisch verfolgt wurden, sollen in einem Gedenkbuch gewürdigt werden.

„Bisher gibt es keine umfassende Geschichte des sozialdemokratischen Widerstandes in Hamburg“, konstatiert Christl Wickert. Sie leitete bereits ein ähnliches Projekt der Bundespartei, dessen Resultat, das „Gedenkbuch der deutschen Sozialdemokratie im 20. Jahrhundert“, Vorbild für die Initiative der Hamburger SPD ist. „Der Partei mangelt es an historischem Bewusstsein“, meint Wickert, „wir wollen verdeutlichen, wie sich unter der Diktatur für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt wurde.“ Das geschah vor allem durch gewaltlosen Widerstand, etwa durch das Verteilen von Flugblättern oder Sabotage in den Betrieben. Man traf sich in Gaststätten und Sportvereinen, um die politische Arbeit von verbotenen Organisationen im Untergrund weiterzuführen.

Anhand einzelner Biographien sollen nun Tätigkeit und Schicksale von politisch Verfolgten dargestellt und zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Der Historiker Walter Tormin recherchiert dazu seit einem Jahr in den Unterlagen der Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten der SPD Hamburg (AvS). In deren Akten waren viele der zwischen 1933 und 1945 politisch Verfolgten aufgenommen worden, die bis zum Verbot der SPD Parteimitglieder oder Angehörige parteinaher Organisationen wie der Sozialistischen Arbeiterjugend oder dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold waren. Neben Adressdaten finden sich im Archiv auch Fragebögen mit detaillierten Angaben über Haftzeiten und Verfolgungen. Betroffene bekamen Berufsverbot, hatten unter körperlicher Gewalt zu leiden, wurden verhaftet und umgebracht.

Etwa 600 Namen stehen zum jetzigen Zeitpunkt auf der Liste von Walter Tormin, doch „es kommen wahrscheinlich noch einige hundert hinzu. Über 1500 Hamburger Sozialdemokraten sind unter den Nationalsozialisten verfolgt worden“, glaubt er. Nicht alle Namen sind jedoch in den Unterlagen der AvS verzeichnet, besonders diejenigen, die im Krieg umgekommen sind, seien schwer zu erfassen. Nun sei es höchste Zeit, sich dem Thema zu widmen, da von den 1500 nur höchstens einige Dutzend noch am Leben sind. Auch an den schriftlichen Dokumenten nagt der Zahn der Zeit, von daher hofft der Ar-beitskreis auf die Unterstützung der noch lebenden Zeitzeugen und ihrer Angehörigen.

Widerständler und Verfolgte kommunistischer Organisationen werden in der Kartei nicht aufgeführt, auch nicht solche, die später in die SPD eingetreten sind. „Das wäre falsches Spiel“, findet Tormin, „wir wollen der SPD keine Leistung anhängen, die ihr nicht zusteht.“