Naturzerstörung mit Staatsgarantie

Umweltorganisationen und Menschenrechtler aus 30 Ländern protestieren vor dem Bundeswirtschaftsministerium gegen die deutsche Hermes-Exportversicherung. Diese führe bei Bauprojekten im Ausland zu ökologischen und sozialen Problemen

von PHILIPP HORSTMANN

Die Kritiker der deutschen Exportpolitik wollten in Berlin mit den verantwortlichen Politikern ins Gespräch kommen. Doch im Wirtschaftsministerium war niemand zu erreichen. Ditmar Staffelt (SPD), parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, hatte keine Zeit, und auch Staatssekretär Axel Gerlach entschuldigte sich wegen vollen Terminkalenders. So blieb den Kongressteilnehmern nur, mit der Forderung „Hermes, beweg dich!“ vor dem Wirtschaftsministerium zu demonstrieren.

Zur Generalrevision der nationalen Exportpolitik hatte die deutsche Umwelt- und Bürgerrechtsorganisation Urgewald geladen. 70 Vertreter von ähnlichen Gruppen aus 30 Ländern nehmen bis heute am Kongress teil. Ein wesentliches Thema: die Kritik an den deutschen Hermesbürgschaften. Das sind staatliche Garantien für privatwirtschaftliche Exporte, die die Bundesregierung nicht selten im Falle von sozial und ökologisch problematischen Projekten wie Großstaudämmen gewährt. Fällt die Zahlung des ausländischen Auftraggebers aus, springt der Staat in die Bresche. Im vergangenen Jahr trafen 28.000 Bürgschaftsanträge bei Bundeswirtschaftsminister Werner Müller ein. Zum überwiegenden Teil waren es deutsche Konzerne, die staatliche Garantien im Umfang von insgesamt 19,5 Milliarden Euro begehrten. Die Umwelt- und Menschenrechtler fordern von der Bundesregierung nun, dass auch in Deutschland – wie in anderen Staaten bereits üblich – Staatsbürgschaften von verbindlichen Umwelt- und Sozialstandarts abhängig gemacht werden.

Derartige Kriterien hat die rot-grüne Regierung nach Ansicht von Urgewald & Co zu wenig berücksichtigt, als sie zum Beispiel Hermesbürgschaften für umstrittene Projekte, wie den Drei-Schluchten-Staudamm in China oder den Tehri-Stausee in Indien gewährten. In diesen Fällen wird die einheimische Bevölkerung vertrieben. Dabei hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag von 1998 eine Reform der Exportbürgschaften „nach ökologischen, sozialen und entwicklungsverträglichen Kriterien“ vereinbart. Herausgekommen ist im April 2001 ein im Hause Werner Müllers erarbeiteter „Umweltleitfaden für die Ausfuhrgewährleistung der Bundesrepublik Deutschland“. Die protestierenden Umweltschützer bezeichnen diesen als „Ökolyrik ohne jeglichen Verpflichtungscharakter“.

So greifen die Bestimmungen erst dann, wenn der deutsche Anteil am jeweiligen Investitionsprojekt 20 Prozent der gesamten Bausumme übersteigt. Über die Anträge entscheidet eine Kommission unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Dass es auch anders geht, erläuterten die Teilnehmer internationaler Organisationen. Ikuku Matsumoto von Friends of the Earth Japan berichtete, dass das Parlament in Tokio die Möglichkeit hat, die einzelnen Projekte zu diskutieren, bevor eine Entscheidung gefällt wird. Selbst der Klimaschutzbremser USA hat sich verbindliche Standards gegeben, die etwa Exportbürgschaften für kommerzielle Holzeinschläge im Regenwald verbieten. Bruce Rich vom Enviromental Defense Fund kritisiert besonders die Rolle Deutschlands bei der Verwässerung internationaler Richtlinien. Die Bundesregierung habe maßgeblich dazu beigetragen, dass die jetzigen Umweltrichtlinien der OECD, in der die großen Wirtschaftsnationen zusammengeschlossen sind, so schwach ausgefallen seien. „Sobald die eigene Exportwirtschaft betroffen ist, werden alle Öko- und Sozialprinzipien über Bord geworfen.“ Heffa Schücking, Sprecherin von Urgewalt, fasste zusammen: „Was die Hermeskredite betrifft, hat es im Prinzip keinen Regierungswechsel gegeben.“