Tägliche Katastrophe

ver.di verklagt Innenbehörde wegen Arbeitszeiten bei der Feuerwehr  ■ Von Magda Schneider

Die krank machenden Arbeitszeiten der Hamburger Feuerwehr kommen auf den Prüfstand: Nach dem Etappenerfolg von Klinikärzten vor dem Landesarbeitsgericht „Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit“ klagt die Gewerkschaft ver.di nun in Pilotverfahren vor dem Verwaltungsgericht gegen die Innenbehörde, um die Festschreibung der 50-Stunden-Woche und die 24-Stunden-Schichten für Feuerwehrleute rückgängig zu machen. „Die Widerspruchsbescheide der Behörde sind eingetroffen“, so ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglinde Frieß – „mit absurden Begründungen“.

Die Ausgangsbasis in diesem Procedere sei zwar „im Grundsatz eine ganz andere“, wie ver.di-Justiziar Gerhard Becker erläutert, der Tenor aber ähnlich wie bei Ärzten. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in dem Grundsatzurteil vom Oktober 2000 klar festgelegt, dass die wöchentliche Arbeitszeit aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes – außer bei Katastrophenlagen – 48 Stunden nicht überschreiten dürfe und so genannte „Bereitschaftszeiten“ als reguläre Arbeitszeit anzusehen seien. Bisher waren Bereitschaftsdienste von Gerichten gern als „Ruhephasen“ deklariert. Das EU-Recht ist laut ver.di auch für die Feuerwehr bindend, wenngleich die Löscher vom Status her dem Beamtenrecht unterliegen und sich die Maßnahme dort „Dienst in Bereitschaft“ nennt. Denn bei der Feuerwehr wird rotierend in 8-, 16- und 24-Stunden-Schichten gearbeitet.

Trotz heftiger Proteste hatte 1998 der SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage im Zuge seines Sparkurses angeordnet, die Arbeitszeit von 48 auf 50 Stunden anzuheben, um die wegen der über 300 Stellenstreichungen eingetretenen Personalengpässe zu kompensieren. Und das, obwohl die Arbeitsintensität in Hamburg so hoch ist wie bei keiner anderen Großstadtfeuerwehr. So rücken die knapp 1.800 Feuerwehrleute an der Elbe pro Jahr zu fast 200.000 Einsätzen aus – davon 10.000 Brände, bei denen viel Manpower und oft mehrere Züge eingesetzt werden müssen. München registriert im Vergleich bei 1500 BeamtInnen nur etwa ein Viertel der Einsätze.

Die Innenbehörde behauptet in ihren Ablehnungsgründen, dass die EU-Richtlinien für die Feuerwehr nicht gelten, da die Löscher „Bestandteil des Katastropenschutzes“ seien und sich „im Dauereinsatz“ gegen die tagtäglichen Katastrophen befinden, die Arbeit selbst im Normalfall nur durch die 50-Stunden-Woche bewältigt werden kann. Für Arbeitsrechtsexperte Klaus Bertelsmann ist das Unsinn: „Bis vor zwei Jahren haben die 48 Stunden gearbeitet, und Hamburg ist nicht abgebrannt.“ Auch für Personalratschef Werner Lehmann ist die Argumenation eine „Lachmummer“. „Wir sind zwar Bestandteil des Katastrophenschutzes wie auch Ärzte“, sagt er, „gearbeitet wird aber immerhin nach einem Regelschichtdienst.“ Und Becker ergänzt: „Die Argumentation läuft darauf hinaus, dass Arbeits- und Gesundheitsschutz für die Feuerwehr generell nicht gilt.“

Innensenator Schill denkt derzeit nicht daran, der Feuerwehr Priorität einzuräumen, obwohl sie auch zur Inneren Sicherheit zählt. Im Gegenteil: 30 weitere Stellen werden dieses Jahr gestrichen, so dass weitere Feuerwachen kaum noch funktionsfähig sein werden. Frieß: „Für die Polizei tut Schill alles und für die Feuerwehr nichts.“