Das Aufräumen beginnt in Köln

Die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten wollen alle krummen Geschäfte aufdecken. Geschützt werden sollen zu Unrecht verdächtigte Genossen

aus Köln SEBASTIAN SEDLMAYR

„Gnadenlose Aufklärung“ fordert Harald Schartau, der SPD-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen. Und tatsächlich könnte es den korrupten Genossen an den Kragen gehen. NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) hat angekündigt, die Genehmigungsverfahren für alle Müllverbrennungsanlagen zu durchleuchten, die in den 90er-Jahren in NRW gebaut oder erweitert wurden. Generalsekretär Michael Groschek will zudem ungeachtet der „Ehrenerklärung“ bis zum Landesparteitag am Samstag die Kölner Bundestagskandidaten auf mögliche Verwicklungen in die Spenden- und Schmiergeldaffäre überprüfen.

Dieser Aufarbeitungswille geht weit über die Erklärung des Kölner SPD-Vorsitzenden Jochen Ott hinaus. Der hatte am Montagabend „Aufklärung und Schutz“ versprochen. Aufklären will der 27-Jährige die krummen Geschäfte, schützen will er zu Unrecht verdächtigte Genossen. Nach Beratungen mit NRW-Landespräsidium und -Parteivorstand und den Kölner Ortsverbänden hat Ott eine Feststellungskommission eingesetzt, bei der sich alle 109 Ratsmitglieder, Bezirksvertreter, Mitglieder des Unterbezirksvorstandes und der Kontrollkommission melden sollen, um in einer „Ehrenerklärung“ zu versichern: „Ich habe keine Spendenquittungen angenommen.“ Dazu haben sie laut Ott bis nächsten Montag Zeit.

Nach Norbert Rüther und Manfred Biciste stolperten nun schon zwei weitere SPD-Männer über die Affäre: Marc Jan Eumann, Bezirksvertreter aus Köln-Kalk, hat für Anwaltskosten eine Spendenquittung erhalten und dies auch zugegeben. Der ehemalige Geschäftsführer Arno Carstensen soll wie Eumann aus der Partei ausgeschlossen werden – bislang ohne Begründung.

Die „Hide and Seek“-Politik des jungen Sozialdemokraten Ott unterscheidet sich zwar prinzipiell vom arroganten Abbügeln der CDU, die ihre Spendenaffäre von 1999 und 2000 bis heute nicht offen gelegt hat. Doch nur mit der restlosen Aufklärung der Korruptionsgeschichte um die Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) kann das politische Beben mit seinem Kölner Epizentrum vielleicht gedämpft werden. Bundeskanzler Schröder und seinem Generalsekretär Franz Müntefering wird die Affäre sonst in die Zeit des Bundestagswahlkampfes hinein anhaften.

Denn der Skandal in Köln geht tiefer: Nicht die Spendenquittungen zwischen 500 und 5.000 Mark, die Mandatsträger angenommen und beim Finanzamt steuermindernd eingesetzt haben sollen, erschüttern die Partei. Die Frage ist und bleibt vorläufig, wer mit wie viel Geld aus dem großen Topf bedacht worden ist – aus einem Topf, der laut Staatsanwaltschaft mit 29 Millionen Mark gefüllt war. Und die Frage, die dahinter liegt: War die politische Entscheidung, in Köln eine überdimensionierte MVA zu bauen, käuflich? Deshalb greift Otts Strategie zu kurz. Die Genossen, die den Skandal wohl zu verantworten haben, sind nämlich keine Mandatsträger mehr: Klaus Heugel, zu Zeiten der Genehmigungsverfahren für die MVA SPD-Fraktionschef, ist längst aus der Partei ausgetreten. Sein Nachfolger Norbert Rüther, der angeblich 511.000 Mark Bargeld angenommen hat, ist ebenfalls ausgetreten. Manfred Biciste, Rüthers Schatzmeister und Helfer bei der Stückelung der Großspende, hat sein Parteibuch abgegeben. Selbst Ex-Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier und Ex-Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes, die den Bau der MVA massiv forciert haben, kommen nicht für eine solche Erklärung in Betracht. Schließlich sind sie keine Mandatsträger der Kölner SPD.

Die „gnadenlose Aufklärung“, die der NRW-Landesvorsitzende Harald Schartau gefordert hat, könnte also von der Landesebene kommen. Dass beim Bauen der MVA in Köln gemauschelt wurde, liegt auf der Hand. Um das Bild der SPD vor den Bundestagswahlen gerade zu rücken, müssen Köpfe rollen, Beträge benannt und Vorkehrungen getroffen werden, die eine Wiederholung der Schmiergeld- und Spendenaffäre erschweren. Schröder würde nur geholfen, wäre die SPD der CDU bei der Aufklärung ihrer illegalen Geschäfte überlegen. Dafür fehlen bislang die Namen der Spender von 29 Millionen Mark und politische und strafrechtliche Konsequenzen für diejenigen, die Bestechungsgelder angenommen haben.