Stickmuster im Feinripp

Die Höhe des Hosenbunds: Wer auf der Höhe der Zeit sein will, muss an sich arbeiten

Nachdem meine Freundin mich über ein halbes Jahr damit genervt hatte, ich trüge meine Hose zu weit oben, trennte ich mich von ihr. Das war bestimmt nicht der ausschlaggebende Grund – möglicherweise wäre alles anders gekommen, wenn sie mich nicht ständig wieder belehrt hätte, dass man spätestens seit Ende der 80er-Jahre den Hosenbund nicht mehr auf dem Beckenknochen schaukelt. Wie sieht denn das aus!

Es ist mir egal. Ich bin in der DDR groß geworden, und in meiner Verwandtschaft hat es immer zum guten Ton gehört, sich die Hose bis zum Anschlag hochzuziehen. Außer Henry. Der war schon 1987 Hiphopper. Später wurde er Dieb und kam ins Gefängnis. Logisch.

Vor kurzem haben die Exfreundin und ich einen neuen Beziehungsversuch gestartet. Es ist, als höre man dieselbe CD, nur diesmal mit der Random-Funktionstaste. Als ich mich nach unserer ersten Nacht anziehe, fängt sie wieder an, an meiner Hose herumzuzerren: „Dan, die Leute lachen sonst über dich.“

„Rachel, sie lachen nicht über mich, sondern mit mir.“ Zornig küsse ich sie und verlasse das Appartement. In der Bahn lese ich in der Zeit, die hat jetzt einen Spezialteil, der Erwachsene über die Tücken des modernen Lebens aufklärt. Am Ende gibt es einen Test. Wenn man den mit weniger als vier Punkten besteht, empfehlen die Redakteure, gründlicher die Zeit zu lesen. Guck an! Da steht, wie man eine Hose ordnungsgemäß zu tragen hat. Zwei Handbreit unter dem Bauchnabel.

Am nächsten Tag folgt die Überprüfung in der Realität. Zwei Handbreit unter dem Bauchnabel wird die frisch gekaufte Levis 501 fest gegürtelt, und ich gehe ins Büro. Die Kolleginnen des feministisch inspirierten Instituts geben sich etwas pikiert, aber die lesen bestimmt nicht die Zeit, sondern Emma und dürfen für mich keine letzte Instanz in Sachen Mode sein. Am Abend klärt mich Rachel auf: Man müsse das T-Shirt in einer Größe wählen, die die Scham- und Bauchhaare verdecke. Alternativ dazu könne man sich einen Schlüpfer mit breitem Gummizug besorgen, auf dem der Markenname deutlich zu lesen ist. Ich durchwühle meine Kommode und suche den größten Schlüpfer raus. Da muss doch noch … Ah ja! Ein riesiger weißer Feinripp mit Eingriff, den mir meine Oma letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hat.

Leider ohne breiten Gummizug. Kein Problem. Im Medizinschränkchen finde ich einen elastischen Verband. 10 Zentimeter breit. Ich nähe ihn an und sticke in Großbuchstaben den Namen der Marke rauf, den ich an der Innenseite entziffere: Herrenuntertrikotagen Zeulenroda. Seit zwei Wochen spricht Rachel nicht mehr mit mir. DAN RICHTER