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Berlin tritt langsam ins Pedal

Neueste Zählung belegt Trend zum Fahrradfahren. Am Alexanderplatz stellen Radler bereits ein Fünftel des Verkehrsaufkommens. Von asiatischen Verhältnissen ist Berlin dennoch weit entfernt

von ANNE VILLWOCK

Es gibt zu viele Fahrräder in der Stadt. Von sieben Millionen sprechen Schätzungen. Mehr als jeder zweite der 17 Millionen Einwohner verstopft mit seinem Drahtesel die Straßen. Deshalb sollen jetzt einige Hauptverkehrsadern für Radler gesperrt werden. Nein, nicht von Berlin ist die Rede, sondern von Schanghai. Die Stadt soll endlich Autometropole Chinas werden.

Berlin dagegen ist von einer solchen Entwicklung noch weit entfernt. Zwar besitzen knapp 2,5 der 3,4 Millionen Einwohner ein Fahrrad. Aber bisher werden die Zweiräder von den knapp 1,4 Millionen Kraftfahrzeugen verdrängt. Noch. Denn eine aktuelle Studie gibt Grund zur Hoffnung.

Für die Monate Oktober und November 2001 hatte der Berliner Senat eine Zählung der Kfz- und Rad-Verkehrsstärke in der Stadtmitte veranlasst. Die erhobenen Zahlen wurden auf einen Tag mit mittlerer Wetterlage im Juni 2001 hochgerechnet. Und diese Prognose zeigt Bemerkenswertes. Demnach kommen innerhalb eines Tages 8.700 Radler am Kaufhof an der Karl-Liebknecht-Straße vorbei. Das ist etwa ein Fünftel des dortigen Verkehrsaufkommens. Auf Höhe des Berliner Verlages sind es immerhin 8.100 und Unter den Linden auf Höhe der Humboldt-Universität noch 7.250 Fahrräder.

„Das sind Zahlen, die wir uns für ganz Berlin wünschen“, sagt Heribert Guggenthaler, Referatsleiter für Plätze und Straßen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, euphorisch. Die Erhebung sollte zeigen, wohin der Trend in der Stadt geht. Und der ist eindeutig positiv.

Die Weiterentwicklung des 1994/95 vom Senat vereinbarten Veloroutenkonzeptes, für das ursprünglich 150 Millionen Euro veranschlagt waren, steht und fällt jedoch mit der desolaten Haushaltslage der Stadt. Im Moment sind jährlich 5 Millionen Euro kontinuierliche Förderung eingeplant. Mit wie viel die Senatsverwaltung in den beiden kommenden Jahren wirklich rechnen kann, wird sich in den kommenden Wochen zeigen, wenn ein Haushalt aufgestellt ist. Die Pläne für eine Verbesserung sind auf jeden Fall umfangreich.

Insgesamt 5.300 Kilometer an Straße verlaufen in Berlin, 3.800 davon sind verkehrsberuhigt. Die übrigen 1.500 Kilometer sind mindestens Tempo-50-Zonen. Doch nur die Hälfte dieser Strecke verfügt über Radwege. „Da ist also die Hauptarbeit zu leisten“, erläutert der Referatsleiter.

Auf Sondermittel hofft Guggenthaler außerdem für ein fahrradfreundliches Regierungsviertel. „Wir wollen zusammenhängende Fahrradrouten in der Innenstadt schaffen.“ Die sollen hauptsächlich durch Nebenstraßen führen. Doch da stellen sich der Verwaltung noch oft Pflastersteine in den Weg. Die nämlich müssten teilweise ausgegossen werden, damit eine ebene Fahrbahnoberfläche entsteht. Die Anlieger jedoch wehren sich häufig gegen eine solche Verfugung. Zudem fürchten sie wegen der Radwege um ihre Parkplätze. Zum Beispiel in der Kreuzberger Fichtestraße. Dort konnte die Verfugung – nicht zuletzt auf Grund des Vetos des prominenten Anwohners Walter Momper – verhindert werden. Ein Ärgernis für Heribert Guggenthaler, zudem habe das Tiefbauamt schlecht informiert. „Es fällt kein Parkplatz weg!“

Erstmals sollen nun die Sperrzeiten für die Fahrradmitnahme in den U-Bahnen fallen. Guggenthaler wünscht sich, dass das Freund-Feind-Bild zwischen Auto- und Fahrradfahrern einem vernünftigen Miteinander weicht: „Alle die radfahren können, sollen auch wollen.“

Auf die Anbindung der touristischen Radwege Brandenburgs an die Berlins drängt zudem Michael Föge, Vorsitzender des ADFC Berlin und Fahrradbeauftragter des Senators für Stadtentwicklung Peter Strieder (SPD). Seit knapp zwei Jahren arbeitet er ehrenamtlich in der Verwaltung und versucht, „Probleme der Fahrradfahrer, die dort nicht bekannt sind, bekannt zu machen“. Die frühere Regierung hätte zum Berliner Verkehr nur den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) und den Motorisierten Individualverkehr (MIV) gezählt. Erst in den letzten Jahren seien wieder verstärkt Zählungen der Rad-Verkehrsstärken erfolgt. Weitere sind bereits in Vorbereitung.

Bisher legt jeder Berliner durchschnittlich drei Wege pro Tag zurück. Insgesamt 10 Millionen Wege sind das also pro Tag in Berlin. „Zehn Prozent davon rechnen wir den Fahrradfahrern zu“, erklärt der Fahrradbeauftragte. In den kommenden drei Jahren sollen es 13 Prozent sein, hofft er. Dennoch ist Michael Föge enttäuscht. „Es herrscht kein Klima, in dem man Fahrradverkehr richtig fördern kann. Und bei den Verantwortlichen in den Tiefbauämtern ist noch kein Gespür für die veränderte Lage vorhanden.“

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