Standards für alle

Nicht nur Hermesbürgschaften, auch KfW-Kredite brauchen Sozial- und Ökoleitlinien, fordern NGOs

BERLIN taz ■ Was der Staat der Privatwirtschaft vorschreibt, daran soll er sich auch selbst halten: Bei der Kreditvergabe an Entwicklungsländer müsste endlich auch die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) soziale und ökologische Kriterien anlegen, forderten gestern Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Berlin. Denn diese Standards, an denen der Staat seine Hermesbürgschaften für private Investitionen im Ausland orientiert, fehlen für die direkten staatlichen Zahlungen der KfW. „Wir haben bisher keine Sozialstandards“, räumte Werner Fassing von der KfW auf der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung „Exportkreditagenturen in der Kritik“ ein.

Die aber sollte es geben, forderten die NGO-Vertreter: Staatliche Unterstützung solle zukünftig von sozialen und ökologischen Mindeststandards abhängig gemacht werden. Für die Arbeitsrechte sind diese Standards in der so genannten ILO-Konvention festgeschrieben. Zu ihnen zählen das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit, die gewerkschaftliche Vereinigungsfreiheit und ein berufliches Diskriminierungsverbot. Neben diesen fundamentalen Rechten müssten Großprojekte zukünftig auch die Folgen für die Bevölkerung und ökologische Auswirkungen hin überprüft werden, forderten die Menschenrechtler und Umweltschützer.

Bruce Rich, Mitglied der Organisation „Environmental Defense“ aus den USA, nannte positive Beispiele staatlicher Sozialstandards in Frankreich und Australien. Der KfW-Vertreter verwies dagegen auf Deutschlands Exportinteressen. „Wenn Sie Schafe und Bergbaugeräte exportieren, können Sie sich natürlich die schönsten Standards geben.“

Rolf Hempelmann, Bundestagsabgeordneter der SPD, warb für „flexible Mechanismen der sozialverträglichen Exportförderung“. Es nutze nichts, beste Grundsätze aufzustellen, die man in der Praxis nicht umsetzen könne. Sein positives Beispiel: eine indonesische Zellstofffabrik, die ihr Holz aus nachhaltiger Plantagenwirtschaft beziehe. Den Fall bezeichnete die indonesische Frauenrechtlerin Titi Soentoro allerdings als Mogelpackung. Die Firma habe sich gut auf die Delegation des SPD-Vertreters vorbereitet. In Wirklichkeit stehe dort kein Baum mehr.

Hempelmann betonte auch die positiven Errungenschaften der Exportkreditförderung. So seien Entschwefelungsanlagen in Russland, Windparks und das weltweit modernste Dieselkraftwerk in der Türkei verwirklicht worden. Häufig verhinderten jedoch gerade Schwellenländer wie Indien eine Verschärfung internationaler Sozialstandards. Dem stimmte auch Thomas Greven, Politikwissenschaftler der Freien Universität Berlin und Experte für Globalisierungsfragen, zu. „Es besteht die Gefahr, dass die Länder, die höhere Standards gewähren, von anderen Ländern unterboten werden, die diese Regeln missachten“, erläuterte er.

PHILIPP HORSTMANN