UN-Vision für Palästina

UN-Sicherheitsrat spricht sich erstmals für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten aus. Positive Reaktionen bei Palästinensern, Israelis und der Europäischen Union. Israel setzt Militäraktion fort

NEW YORK/JERUSALEM afp/rtr/ap ■ Erstmals hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Staat „Palästina“ in einer Resolution namentlich genannt. Die überraschend von den USA eingebrachte Resolution wurde bei Enthaltung Syriens von allen 14 übrigen Ratsmitgliedern unterstützt. Sie fordert einen sofortigen Waffenstillstand und den Stopp aller terroristischen Akte.

Die Palästinenser begrüßten die Resolution. Ihr UN-Beobachter Nasser al-Kidwa erklärte, die Autonomiebehörde werde sie genau befolgen. „Es ist das erste Mal, dass der Sicherheitsrat die Vision von zwei Staaten ausspricht“, sagte Kidwa. „Es nennt Israel und Palästina beim Namen, und das ist ein wichtiger Schritt vorwärts.“ Auch Israel reagierte positiv. UN-Botschafter Jehuda Lancry sprach von einer ausgewogenen Nahost-Resolution, was an sich eine „seltene und bemerkenswerte Tatsache“ sei.

UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte in scharfen Worten „moralisch widerliche“ Akte von Terror- und Selbstmordanschlägen gerügt und Israel aufgefordert, die „illegale Besetzung“ sowie die Anwendung exzessiver Gewalt zu beenden.

Die Europäische Union begrüßte die UN-Resolution ebenfalls und will eine neue Initiative zur Lösung des Nahost-Konflikts starten. Der amtierende EU-Ratspräsident und spanische Außenminister Josep Pique sagte am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, eine entsprechende Erklärung solle auf dem EU-Gipfel am Wochenende in Barcelona verabschiedet werden. Im Zentrum der Initiative stehe der neue Friedensplan des saudischen Kronprinzen Abdullah. Der Plan sieht einen unabhängigen palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt vor.

EU-Parlamentspräsident Pat Cox lud Israels Außenminister Schimon Peres und Präsident Jassir Arafat erneut nach Straßburg ein, um einen neuen Dialog zu beginnen. „Um der Menschlichkeit willen, bitte beenden Sie die Gewalt, bitte beginnen Sie einen Dialog, und geben Sie dem Frieden eine Chance“, sagte Cox.

Der US-Sondergesandte Anthony Zinni beginnt heute eine neue Vermittlungsmission. US-Vizepräsident Dick Cheney ist bereits auf Nahostreise. Nach einem Besuch in Jordanien traf er gestern mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak auf dem Sinai zusammen.

Trotz aller Bemühungen ging die israelische Militäraktion mit unverminderter Härte weiter. Erneut drang die Armee mit Panzern in das Flüchtlinglager Dschabalia bei Gaza vor. Zudem besetzte sie auch das Zentrum von Ramallah. Dort wurden gestern bei heftigen Feuergefechten drei Menschen getötet, darunter ein italienischer Fotograf. Nach Informationen eines italienischen Kollegen wurde Raffaele Ciriello von mehreren israelischen Geschossen in den Bauch getroffen. Soldaten hätten die Schüsse aus einem Panzer abgefeuert. Bei einem Vorstoß der israelischen Truppen in Ramallah war zuvor der stellvertretende Chef der palästinensischen Eliteeinheit Force 17, Abu Fadi, erschossen worden. Ein weiterer Palästinenser wurde bei einem Schusswechsel in Ramallah getötet. Ein anderer Palästinenser wurde bei Hebron erschossen, als israelische Soldaten das Feuer auf sein Auto eröffneten.

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