„Wir räuchern eure Bude aus“

Seit Monaten attackieren ausländerfeindliche Jugendliche in Basdorf bei Berlin eine achtköpfige türkische Familie. Die Polizei nimmt das ernst und stellt die Familie unter Schutz. Die Bürgermeisterin sagt, „zu viel Öffentlichkeit provoziert doch nur“

von NICOLE JANZ

Vorsichtig späht Engin Canaydin durch einen Schlitz in den Jalousien, dann erst öffnet er die Haustür. Seitdem einige Jugendliche aus Basdorf gedroht haben, das Haus anzuzünden, sind alle Rollläden herunter gelassen.

Im Wohnzimmer sitzt die achtköpfige Familie im Dunkeln und erzählt von den Halbstarken, die immer wieder vor dem Haus stehen und ihnen drohen. Mehrmals riefen sie: „Wir räuchern euch die Bude aus, damit ihr verschwindet!“ In einem Brief stand: „Wir werfen euch eine Bombe rein, und eure Kinder kriegen was aufs Maul!“ Engin Canaydin (43) lässt seine Kinder nicht mehr draußen spielen.

Seit August wohnt die Familie in der 4.500-Einwohner-Gemeinde Basdorf, 20 Kilometer nördlich von Berlin. Im September begann der Terror, zunächst mit Beleidigungen und Drohungen, die ihnen Angst einjagen sollten. Die Canaydins wehrten sich von Anfang an. Konsequent erstatteten sie Anzeige – schon über zehn Mal wegen Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung. Ihre Gegner scheinen sie damit nicht einzuschüchtern. Im Gegenteil: Es wird immer schlimmer, berichten sie. „In der Schule sagen manche Dönerfresser zu mir und rempeln mich an“, erzählt die 13-jährige Ebru und senkt den Kopf. „Mich nennen sie auf der Straße dicke Türkensau“, sagt Yesim, 18 Jahre alt. Hakenkreuze wurden ins Auto geritzt, Silvesterböller in den Garten geworfen. Die Kinder, ein 10-jähriger Junge und fünf Mädchen zwischen 11 und 18 Jahren, gehen nur noch zu zweit vor die Tür und nie ohne ein Handy.

Stündlich sehen sie einen Polizeiwagen am Haus vorbeifahren, die Familie steht seit kurzem unter Schutz. „Aber wir können nicht rund um die Uhr da sein“, sagt Arne Feuring, der Bernauer Polizeichef. Er hatte deswegen im November eine Gesprächsrunde mit Bürgern organisiert, in der die Familie ihre Probleme geschildert hatte. Alle waren bestürzt. Die Eltern der polizeilich bekannten Täter waren nicht gekommen. In Basdorf gebe es keine Neonaziszene, so Feuring, aber latente Fremdenfeindlichkeit. „Wir sind ein ganz normales Dorf“, meint dagegen Bürgermeisterin Heidi Freistedt (CDU). „Zu viel Öffentlichkeit provoziert doch nur“, sagt sie.

Die Mutter, Martina Canaydin (39), hat dunkle Ringe unter den Augen, weil sie kaum schläft, seitdem vor einer Woche nachts zwei Unbekannte die Rollläden hochschieben wollten. Sie hat resigniert, weil die Verfahren gegen die Jugendlichen immer wieder eingestellt wurden, zum Beispiel, weil man nicht zuordnen konnte, wer von der Gruppe die Beleidigung gerufen hatte. „Die denken doch, sie könnten immer weitermachen, ohne bestraft zu werden“, sagt Martina Canaydin. „Wir kämpfen ins Leere.“ Gestern hat eine der Töchter einem Mädchen, das sie immer wieder beleidigt hatte, „eine reingehauen“. Jetzt warten sie auf Rache.

Zwischen den Familienmitgliedern sitzt auch Enrico Schulz, ein Junge aus der Nachbarschaft, der die Kinder zum Einkaufen begleitet und ab und zu nachts im Haus Wache hält. Der 18-Jährige kennt die Täter aus Basdorf gut. „Das sind keine Neonazis, das sind Möchtegerns, die sich cool fühlen wollen“, sagt Enrico.

Das mindert nicht die Angst. Immer wieder denkt Engin Canaydin an seinen besten Freund. Er kam 1992 in Mölln mit seiner Familie ums Leben, weil Rechte Feuer gelegt hatten. Trotzdem sagt der Familienvater: „Wir wollen uns nicht vertreiben lassen.“