Öko-News

Der typische deutsche Ökotourist ist zwischen 30 und 59 Jahre alt, zählt mit einem Nettohaushaltseinkommen von 1.534 bis über 2.556 Euro zu den Besserverdienenden und hat Abitur. Außerdem ist er mehrheitlich weiblich. Dies zumindest zeigt der nun von der Welttourismusorganisation WTO veröffentlichte Special Report – The German Ecotourism Market. In diesem Spezialbericht ist außerdem zu erfahren, dass sich besonders viele Lehrer oder besser gesagt Lehrerinnen unter den Ökotouristen tummeln. Bemerkenswert ist auch das Ergebnis, dass die meisten in Deutschland angebotenen Ökotourismusziele in der weiten Ferne liegen. 57 Prozent der angebotenen Reisen gehen in ein Land außerhalb Europas, das natürlich per umweltschädliches Flugzeug erreicht wird. Beliebtestes Reiseziel ist – nach Angaben der Veranstalter – Costa Rica.

Costa Rica for family: So heißt eine „umweltfreundliche“ Familienreise nach Costa Rica, die im vorigen Jahr mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Diese fünfzehntägige Reise kostet für eine fünfköpfige Familie rund 7.500 Euro ohne Verpflegung. Fürs Essen muss die Familie noch mal zusätzlich gut hundert Euro pro Tag ausgeben. Es scheint, dass die Jury der Reisezeitschrift GEO Saison, die die Goldene Palme verleiht, ausschließlich aus gut bezahlten Singles besteht. Denn welche durchschnittlich verdienende Familie kann sich diesen Öko-Familien-Urlaub für gut 9.000 Euro leisten?

Familienfreundlichkeit – dazu gehört auch der Reisepreis – kann also nicht das Kriterium für die Goldene Palme gewesen sein. Umweltfreundlichkeit vielleicht? Selbstverständlich erfolgt die Anreise nach Costa Rica aufgrund der Kürze der Zeit per Flugzeug, dann werden die Urlauber per Privatbus quer durchs Land zu den einzelnen Nationalparks und zu den „Abenteuerspielplätzen“ für Jung und Alt gekarrt. Die Familie darf dort im Regenwald wandern, mit Raftingbooten den Fluss Peñas Blancas erkunden und mit Motorbooten zur Wildtierbeobachtung aufbrechen. Natürlich wird auch ein Naturschutzprojekt besucht, und jeder Urlauber darf ein Bäumchen pflanzen. Dies alles mag interessant, abenteuerlich und ganz nett sein. Ökologisch ist es nicht.

Eine vehemente Kritikerin der heute praktizierten Form des globalen Natur- oder Ökotourismus ist die Inderin Nina Rao. Sie ist Sprecherin der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus der Dritten Welt im internationalen Arbeitskreis Tourismus der UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung. „Ökotourismus ist doch nicht, wenn Sie barfuß gehen, in einer Hütte am Strand leben oder ein paar armen Kindern ihre Altkleider schenken“, sagt Rao. „Es ist auch nicht ökologisch, wenn Sie in ein Flugzeug in Richtung Süden steigen und dann ein Auto nehmen, das Sie in ein Ökotourismusprojekt bringt. Und man kann sicherlich nicht von Ökotourismus sprechen, wenn Sie gegen Bezahlung in die Privatsphäre von Menschen eindringen und deren sozialen und kulturellen Alltag zum Objekt touristischer Erlebnisse machen.“

NORBERT SUCHANEK