piwik no script img

■ Rosi Rolands Bremer GeschichtenIch sage nur: Anstandsleiter!

Vergessen Sie Handlesen oder Irisdiagnose, ich lese aus Papierkörben. Zerfetzte Spontankündigungen, glibberige Bildchen, Zigarettenkippen bei Nichtrauchern, Privatkorrespond-enz. Ein Feld für Charakterstudien. Nicht, dass ich da wühlen würde – aber seit ich neulich einen Goldring gerettet habe, gucke ich wieder genauer hin. Sogar im Knast, wo ja notorisch nichts zu holen ist. Also hab' ich rein gewohnheitsmäßig das heile DIN A4-Blatt rausgefischt. Lese „Fehlende Mitbestimmung“, denke Fehlwurf und dann mitleidig: Kenn' ich, das Problem, mich fragt auch nie jemand. Aber ehrlich, mein Mitgefühl werde ich mir bei Personalratssachen noch überlegen!

Halten Sie sich fest, womit die im Knast sich beharken, der Personalrat und der Knast-Chef Otto, im Vollzug auch Dr. O. genannt. Soll die Peitsche schwingen, der Anstaltsleiter, der jetzt auf „Parkplatz Nummer eins“ unter AL firmiert. Damit künftig klar ist, wo der Chef parkt. Soweit Geschmackssache. Wie auch die Schranke vorm Gelände, die verhindert, dass jeder Hinz und Kunz aufs Anstaltsgelände vor der Mauer fährt, um sich zu betrinken. Soll's schon gegeben haben, kam jedenfalls als Argument in einer Debatte vor – glaube doch schließlich niemand, dass sich die Belegschaft im Knast unwidersprochen eine Schranke vor die Mauer bauen lässt! Jedenfalls nicht einfach so.

Also gut, zu den Parkplätzen. 13 gibt's, einer ist weg: für AL, steht da. Und weiter: „Dieses angebrachte Hinweisschild hat nun dazu geführt, dass uns mehrere Anfragen erreicht haben, bei denen es erst einmal um die Verteilung der Parkplätze zwei bis 13 geht. Bisher haben wir diese Anträge noch nicht befürwortet, da wir noch nicht einmal bei der Vergabe des Parkplatzes Nummer 1 beteiligt waren. Wir bitten Sie daher, die erforderliche Mitbestimmung einzuleiten ...“ Da hab ich mich erstmal gesetzt. Direkt auf den Tisch vom Chef. War ja niemand da. Hat die Menschheit Probleme!

Was würden wir tun, wenn es nicht Personalräte und Personalvertretungsgesetze gäbe? Oder Jungs, die sich wegen Parkplätzen madig machen. Jetzt beginne ich zu begreifen, warum in Bremen auch gestandene SPD-Chefs so gegen dieses Personalvertretungsgesetz geifern. Hätten sogar womöglich schon selbst was unternommen, wäre nach einem Urteil vom Bundesverfassungsgesetz auch richtig so. Wenn nur der Koalitionspartner CDU nicht solche „Das-muss-weg-Parolen“ fahren würde. Da meiden die Sozis das wenig kompromissfähige Thema lieber. Solange müssen die Chefs selbst klarkommen.

Gut, dass der Otto Psychologe ist. So kann er sich wenigstens selbst coachen. Woran man merkt, dass die Justizbehörde bei Personalentscheidungen doch manchmal weiter schaut, als Außenstehende auf den ersten Blick erkennen, meint

Ihre Rosi Roland.

P.S. Übrigens finde ich, die sollten den Parkplatz am Knast einem AL freihalten. Aber bestimmt gibt's dann wieder Streit darüber, was Anstand ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen