Gelesen? Und ob!

Jeden Dienstag werden in der taz politische Bücher von namhaften Rezensenten besprochen. Das Interesse an der Seite ist groß. Besonders dann, wenn vergessen wurde, den Buchtitel zu nennen

von DANIEL HAUFLER

Auch das noch: Die Literaturbeilage zur Leipziger Buchmesse wird umfangreicher als erwartet. Die vielen Anzeigen machen’s möglich. Wer hätte das gedacht? Ich jedenfalls nicht. Und der Literaturredakteur natürlich auch nicht, weshalb er mir für das politische Buch großzügig mehr Platz in der „literataz“ anbietet.

Tolle Idee, nur habe ich noch keinen einzigen Text bestellt und auch das Buch nicht gelesen, das ich selbst für die Beilage besprechen wollte. Freundlich unverbindlich antworte ich: „Ja, wunderbar. Da muss ich jetzt mal in den Stoß von Besprechungen schauen und rufe morgen zurück … oder sagen wir lieber Ende der Woche?!“

Mein Blick schweift über den Schreibtisch. Links schwankt schon bedrohlich der Stapel mit den Verlagsprospekten, rechts wuchert der Stoß mit Pressemitteilungen. Denn mittlerweile verzichtet kaum ein Verlag mehr darauf, seine bahnbrechenden Titel in umfänglichen Briefen anzupreisen. Zwischen drin ruhen unverlangt eingesandte Manuskripte (alle mindestens zwanzig Seiten lang – die Leute lesen offenbar nie Zeitung) und hie und da noch ein vergilbter Brief. Mein Komposthaufen.

Er funktioniert nach einem Prinzip, das einst der legendäre Verleger Ernst Rowohlt entdeckt hat: Was sich nicht gleich erledigen lässt, landet auf einem der Haufen. „Sie haben ja keine Ahnung, wie viele Sachen sich durch bloßes Lagern von selbst erledigen. Eine wunderbare Einrichtung“, meinte Rowohlt.

Das System hat nur einen Fehler. Zwei Mal im Jahr, immer vor den Buchmessen, naht unerbittlich der Moment, in dem die Stöße abgetragen werden müssen: Die interessanten Bücher sind aus den neuen Programmen auszuwählen, Rezensionen zu vergeben, eingegangene Texte zu prüfen und des Öfteren an den Autor zu retournieren, damit er dies und das ändert. Schließlich sollen die LeserInnen alles über die wichtigsten, besten und verheerendsten politischen Bücher der Saison erfahren – und das nicht nur zur Messe, sondern jeden Dienstag.

Nur: Werden diese Rezensionen gelesen? Und ob! Als neulich einmal die Angaben zu einem hymnisch gelobten Buch (Steffen Radlmaier: „Der Nürnberger Lernprozess“) fehlten, legten an den nächsten Tagen bald 100 Leute mein Telefon lahm, weil sie das Buch kaufen wollten.

Wochen später war ein Band über einen Wehrmachtsdeserteur nur telefonisch bei der Evangelischen Friedensbibliothek zu bestellen. Diesmal stand alles richtig im Blatt. Armer, glücklicher Verleger. Nach ein paar Tagen rief er bei mir an, um sich für die Rezension zu bedanken. Der Band musste nachgedruckt werden. Auch im Internet avancierten taz-Besprechungen politischer Bücher auf den einschlägigen Linklisten des Öfteren zu den meist gelesenen Texten (so etwa bei historiker.de).

Keine Frage. Die taz-LeserInnen lesen – nicht nur die Zeitung, sondern vor allem politische und historische Bücher. Das freut und motiviert mich als „pol-buch“-Redakteur, der ich, nebenbei gesagt, wahrscheinlich in der Branche weit und breit der einzige sein dürfte, der seine Arbeit quasi ehrenamtlich macht, da er im Hauptberuf die Meinungsseite der taz verantwortet. Doch: Für diese LeserInnen macht es Spaß, die originellsten Experten für Rezensionen zu gewinnen. Den englischen Historiker Richard Evans für die NS-Zeit, den Anglisten Andrew James Johnston über Sebastian Haffner und den Politologen Claus Leggewie zum amerikanischen Empire; die Historikerin Rebekka Habermas über die Todesstrafe, den Publizisten Warnfried Dettling für Fragen der Bürgergesellschaft und René Aguigah zu neuen politische Theorien. Etablierte Größen und aufstrebende Wissenschaftler wechseln sich ab mit den ebenso kompetenten KollegInnen aus der Redaktion.

Im Grunde reichte das Material, um jede Woche drei Seiten Politisches Buch zu produzieren – und die literataz jeden Monat. Okay, das war jetzt übertrieben, aber nur ein wenig. Die Beilage zur Leipziger Buchmesse gibt’s jedenfalls schon bald: nächsten Donnerstag, mit drei Seiten Besprechungen politischer Bücher.