„Torhüter sind irgendwie bekloppter“

■ Hockey-Torwart Clemens Arnold vom Harvestehuder THC über den Weltmeistertitel

taz hamburg: Mit dem 2:1 gegen Australien wurde Deutschland am vergangenen Wochenende in Malaysia erstmals Hockey-Weltmeister. Wie hast du die letzten Augenblicke des Endspiels erlebt?

Clemens Arnold: Wie im Film. Wir hatten den Ball zehn Sekunden vor Schluss, und die ersten von uns fingen schon an zu hüpfen. Die 15.000 Zuschauer haben den Countdown mitgezählt, und dann bin ich durchgedreht, habe nur noch geschrien, während alle auf mich draufgesprungen sind. Nach zehn Minuten war ich total fertig vom Schreien, habe mich aber gefühlt, als ob ich durchs Stadion fliegen könnte.

9 Spiele in 14 Tagen bei tropischen Temperaturen und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit. Wie war das?

Nach drei, vier Spielen kann man nicht mehr so viel Flüssigkeit trinken, wie man verliert. Die Mannschaft kriegte Infusionen, hing am Tropf. Und beim Endspiel war es noch schwüler.

Nach der Schmach von Sydney habt ihr euch mit neuem Trainer ein Jahr mit vielen Lehrgängen auf Kuala Lumpur vorbereitet...

Mit Bernd Peters ist die Euphorie in das junge Team zurückgekehrt. Er hat den Individualisten in unserer Offensive mehr Freiheiten eingeräumt – darauf hatten alle gewartet. Aber der fünfte Platz bei Olympia war das absolute Trauma, das spukte schon im Hinterkopf.

Gibt es eigentlich spezifische Charaktereigenschaften von Torhütern?

Torhüter sind irgendwie bekloppter als alle anderen, oft auch intelligenter. Der Druck ist ganz anders als bei Feldspielern – die können sich mehr Fehler erlauben. Für einen Torwart ist Vertrauen das Wichtigste.

Leider haben ARD und ZDF kaum von der Weltmeisterschaft berichtet.

Meine Eltern haben es auch nur in Ausschnitten und im Live-Ti-cker mitbekommen. Das ist schon schade, aber es wird besser: Bei der letzten WM wurden genau null Minuten gezeigt.

Ist das Reizvollste als Hockey-Nationalspieler nicht das Reisen in Länder wie Indien, Südafrika oder Malaysia?

Ja, das Reisen ist gigantisch. Anfangs war ich etwas zögerlich, aber man sieht die ganze Welt, und das prägt.

Wo ist Hockey denn am popu-lärsten?

In Pakistan. Dort rasten sie total aus. Es gibt einen Hockey-Platz in Peshewar, der nur durch eine Art Zaun aus Metall-Stangen begrenzt ist, und direkt hinter dem Tor stehen so 200 Leute. Beim Einschießen gehen natürlich auch Schüsse in die Menge, aber selbst bei Platzwunden wird der Ball einfach wieder zurückgeworfen.

Fragen: Mike Liem