Für Alle: Kreuzworträtsel Islam

■ Die Kulturwerkstatt „westend“ lädt ein zum fröhlichen Toleranztraining: Der „Gute Abend“ in der Gröpelinger Fatih-Moschee ist Show, Information und Mahlzeit – Völkerverständigung im Selbstversuch

Da sind sie wieder alle versammelt, die in letzter Zeit so oft gehörten Begriffe: Integration! Toleranz! Dialog! Miteinander! Meist geäußert in abendlichen Talkshows, stets mit einem leise mitschwingenden „man müsste“.

Doch aus sicherer Entfernung darüber zu reden, ist nur die eine Seite, fanden die Organisatoren der Kulturwerkstatt „westend“ und schritten zur Tat. Das Ergebnis: ein Showabend im Gebetsraum von Bremens größter Moschee, ein buntes Programm aus Theater, andalusischem Gesang und Interviews.

Scheinwerfer zwischen gefliesten Säulen, eine Videoleinwand vor arabischen Kalligraphien, übersteuerter Mikrohall in der großen Kuppel. Und auf dem gemusterten Gebetsteppich sitzt, hockt oder kniet – ganz entspannt und ohne Schuhe – eine wahrlich bunte Mischung aus roten Rastazöpfen, schwarzen Locken, Kopftüchern und blondierten Strähnchen.

Die Kontaktaufnahme beschränkt sich zunächst auf neugierige Blicke und freundliches Lächeln, meist angesichts der herumwuselnden ach-so-niedlichen kleinen Mädchen mit den schneeweißen Kopftüchern. Dann aber startet das „Interkulturelle Kompetenztraining“, angeleitet von Angelika Weber und Nursel Aslan vom Landesinstitut für Schule. So simpel ihre Anweisungen sind – „Jeder von Ihnen spricht jetzt einen Menschen an, den er noch nicht kennt“ – so groß ist das allgemeine Tohuwabohu, das sie damit entfachen: Völkerverständigung im Selbstversuch.

Durchaus positiv also, dass Moderatorin Frauke Wilhelm einige Schwierigkeiten hat, die nötige Ruhe für den vierköpfigen Mädchenchor der Hicret-Moschee herzustellen. Der trägt in schnieken blauen Kopftüchern – die weißen gehörten zum Chor der Fatih-Moschee – zwei 700 Jahre alte Lieder auf Deutsch und Türkisch vor. Danach ist Pause – beste Gelegenheit, mit einem Glas Tee und einem Stück selbst gebackenem „Pogaça“ in der Hand die begonnenen Gespräche fortzusetzen. „Die Annäherung läuft zuerst über den Magen“, stellt ein junger Deutscher im angeregten Gespräch mit einem etwa gleichaltrigen Moslem weise fest. Wohl wahr.

Nichtsdestotrotz kann Annäherung auch über Theater laufen. Die Gruppe „Interaktiwo“ inszeniert kurze Sketche, die von Witz bis Moralkeule alles zu bieten haben. Was weiß Otto-Normaldeutscher eigentlich über den Islam? Da, in der Nische, sitzt da nicht immer der Imam? Klar, den kennt man doch aus dem Kreuzworträtsel! Doch apropos Imam. Neben aller Unterhaltung hat der „Gute Abend“ traditionell auch Informatives zu bieten, so dass eine ganze Reihe von Gesprächspartnern von Frauke Wilhelm und Hartmut Emig interviewt wurden. Für das sehr konzentrierte Publikum gab es einiges zu erfahren: Mustafa Yavuz aus der muslimischen Gemeinde erklärte die Bedeutung einer Koran-Sure und die sorgfältig ausgetüftelten Gebetszeiten einer Moschee, Sozialarbeiterin Leman Ali Khan gab Einblicke in die Schwierigkeiten der ausländischen Patientinnen im Diako-Krankenhaus. Integrationsforscher Frank Meng von der Uni Bremen nahm schließlich zu der Angst vieler Deutscher vor einer „islamisch-fundamentalistischen Parallelgesellschaft“ Stellung.

Alles in allem also ein runder, ein „guter“ Abend, der die Hemmschwelle zwischen den Kulturen zwar nicht überwinden, aber vielleicht einige Zentimeter heruntersetzen konnte. Man müsste? Man kann.

Bodil Elstner

Wenn Politiker grundsätzlich werden, dann sollte man genau aufpassen. Sie könnten Anlauf nehmen, das Publikum auf besondere Bösartigkeiten einzustimmen. „Menschliches Leben und Zusammenleben wird entscheidend durch Kultur geprägt und bestimmt. Kultur hat wesentliche Wurzeln in Kunst, Philosophie und Religion. Diese prägen entscheidend historisch gewachsene Wertvorstellungen.“

Mit diesen bedeutungsschweren Redundanzen beginnt ein Grundsatzpapier der FDP – das läuft am Ende nicht auf den Militäreinsatz in Afghanistan zu, nein, auch nicht auf die Weltkulturerbe-Konferenz der UNESCO, es geht um „Kultur und Politik in Bremen-Nord“. Konkreter und von der FDP nach nur sieben Seiten als „Sofortmaßnahme“ auf den Punkt gebracht. Es geht um eine Disco. In Bremen-Nord. Es ist die einzige Maßnahme, die „sofort“, ginge es nach der FDP, erfolgen muss.

Verwirrend an dem Text zwischen diesen beiden Polen ist, dass hier nicht die geforderte „Disco mit Veranstaltungen und sonstige Verfügbarkeit für Jugendkultur“ stringent aus den gewachsenen Wertvorstellungen von Philosophie und Religion abgeleitet werden, nicht der Körper und seine Verrenkungen als verschränktes Erbe von Kultur und Religion neu entdeckt werden.

Rein pragmatisch könnte man von der Partei der Marktwirtschaft auch eine Betrachtung über die Gründe erwarten, warum die letzte Disco am Bahnhof in Vegesack nach den Regeln der kaufmännischen Kunst scheiterte und ihren Betrieb konsequent einstellte. Nein, die Erfordernis der Disco folgt im Kultur-Papier der FDP nicht aus Angebot und kaufkräftiger Nachfrage, sondern unter der Überschrift „Kultur im engeren Sinne“ kaum 20 Zeilen auf die „herausragende Bedeutung des Kito“.

Wie das? Ganz einfach, man muss das Unaussprechliche, das auch zur Kultur zählt, hinzu denken. Denn die FDP hat schon einen Ort für die Disco: Den bisher für kulturelle Zwecke genutzten „Kulturbahnhof“, kurz: Kuba, das sich selbst für die „zweite“ Kulturadresse neben dem Kito hält. Das Kuba gehört für die FDP aber nicht zu den kulturellen Einrichtungen von „besonderem Gewicht“ in Bremen-Nord, hat das Kuba doch – igitt – „ausschließlich bei sehr populären Unterhaltungsveranstaltungen“ besonderen Publikumszuspruch gefunden.

Ganz anders das Kito! Unter „Kultur“ finden wir in dem FDP-Papier zum Kuba nur den Verkehrslärm, der „sensible kulturelle Ereignisse“ verbiete und geradezu nach Disco-Betrieb und „Probenräumen für junge Bands“ schreie. Wie anders die sensible Ruhe im Kito!

Diese Idee, die unleidige Kultur-Konkurrenz des Kuba verschwinden zu lassen zugunsten einer Disco, hatten jüngst auch die „Jungen Liberalen“ vorgetragen, deren früherer Pressesprecher heute Geschäftsführer des Kito ist.

Politik solle „Rahmenbedingungen für Kulturvermittlung“ schaffen, „dabei hat Politik sich Schiedsrichterfunktionen zu Inhalten zu enthalten“, heißt es an dem sehr allgemeinen kulturvollen Anfang des FDP-Papiers zum kulturvollen „menschlichen Leben und Zusammenleben“ in Bremen-Nord. Das heißt offenbar im Klartext: Pass auf, gleich trete ich dir in die Eier!

Klaus Wolschner