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: WLADIMIR KAMINER über Globalisierung …

… auf der Schönhauser Allee

Nicht nur im Fernsehen und in Amerika, auch bei uns in der Schönhauser Allee stößt man auf die ersten Spuren der Globalisierung: Die Konsumwelt vernetzt sich untereinander und wir vernetzen uns mit der Konsumwelt. Mit großer Begeisterung entdeckte meine Frau neulich das Online-Shopping für sich – und bestellte sofort eine Packung Waschpulver bei der Schlecker-Filliale, die sich zwanzig Meter von unserem Haus entfernt in einer Nebenstraße befindet. Dort haben wir auch früher immer unser Waschpulver gekauft, aber noch nie Online. Anfangs zweifelten wir, dass es funktionieren würde, denn so ein Online- Shopping ist ein komplizierter Vorgang. Die Schlecker-Webpage stürzte zwei Mal hintereinander ab während wir den Kauf tätigten – wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen. Doch unsere Zweifel zerstreuten sich schließlich. Nach drei Tagen bekamen wir eine Benachrichtigung aus der Schlecker-Filiale, unsere Bestellung sei angekommen und wir könnten sie in der Filiale jederzeit abholen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon das Waschpulver Offline gekauft, aber das hatte nichts zu sagen.

Die Benachrichtigung gab uns ein klares Zeichen: Die Globalisierung funktioniert und sie geht weiter. Immer neue Verkaufsketten eröffnen ihre Filialen im Prenzlauer Berg, auch in unserem Haus. Dort machte neben dem „Wall Street Institute“ – einer computerisierten Sprachschule für die Manager der Zukunft – ein Kleiderladen namens Sathea auf.

Der Platz war strategisch gut gewählt. In dieser Filiale können sich die zukünftigen Businessmänner ihre Arbeitsklamotten kaufen, wenn sie mit ihrem Business-Englisch fertig sind. Obwohl es derweil noch nicht danach aussieht, das sie irgendwann mit ihrem Studium wirklich fertig werden. Einfach so vor dem Bildschirm zu sitzen und nebenbei eine Fremdsprache zu lernen – so etwas erfordert viel Fleiß und innere Disziplin. Die Kunden des Wall Street Instituts sehe ich vom Fenster aus: Sie sitzen angespannt vor ihren PC, starren auf den Bildschirm und grinsen gelegentlich. Das macht mich misstrauisch – ich kann mir nicht vorstellen, das es im Business-Englisch was zu Grinsen gibt. Wahrscheinlich spielen sie Supermario oder laden sich Sexfotos runter.

Die Globalisierung hat es in unserem Haus nicht leicht. Die Sathea-Männerboutique wurde gleich nach ihrer Eröffnung ausgeraubt. „Ich wollte gerade eine neue Frauenfiliale auf der anderen Straßenseite aufmachen, und dann so etwas. Jetzt habe ich überhaupt keine Lust mehr“, beschwerte sich die Besitzerin. Der Jeansladen nebenan, den es schon seit zehn Jahren auf der Schönhauser Allee gibt, wurde dagegegen noch nie ausgeraubt. Von daher denke ich, dass es die Globalisierungsgegner waren. Die Täter brachen in der Nacht eine dünne Rigipswand durch und nahmen außer einem Dutzend Boss-Anzüge in schwarz und anthrazit – also der typischen Globalisierungsuniform – nichts mit. Aus Solidarität mit der überfallenen Besitzerin kaufte ich bei ihr einen Anzug in unkonventioneller Farbe. Nicht weil wir die Globalisierung fördern wollen, sondern weil wir alle möglichen Geschäftsinitiativen auf der Schönhauser Allee begrüßen. Wie der Vorsitzende Mao einmal sagte: Alle Blumen haben das Recht zu blühen. Man muss sie nur rechtzeitig gießen.