„Investitionen an Demokratie knüpfen“

Malaysische Gewissensgefangene fordern die deutsche Regierung und Konzerne auf, Premierminister Mahathir zur Abschaffung repressiver Gesetze und der Beachtung der Menschenrechte zu drängen – notfalls auch mit einem Boykott

taz: Welche Menschenrechtsverletzungen beklagen Sie in Malaysia?

Badrul Amin, Hishamuddin Rais, Lokman Nor Adam, Mohd Ezam Mohd Noor, Saari Sungib, Tian Chua: Zahlreiche Gesetze ermöglichen der Regierung, den Bürgern Grundrechte zu verweigern. Dazu gehören die Gesetze zu Veröffentlichungen, Druckereien, Universitäten und Colleges sowie die Gesetze über Staatsgeheimnisse, Aufruhr, Polizei und vor allem das Interne Sicherheitsgesetz (ISA). Diese Gesetze geben der Regierung das „legale Recht,“ öffentliche Versammlungen zu verhindern. Jedes Treffen von mehr als fünf Personen kann verboten werden, weil die Opposition dafür meist keine Genehmigung bekommt.

Am schlimmsten ist das ISA, das eine unbegrenzte Haft ohne Gerichtsverfahren erlaubt. Dessen Abschaffung forderte auch kürzlich der deutsche Botschafter.

Das von der britischen Kolonialmacht geerbte Gesetz wurde 1960 verabschiedet und richtete sich gegen einen kommunistischen Aufstand. Der damalige Premier versicherte dem Parlament, das Gesetz nur für diesen Zweck zu nutzen. Heute wird ISA jedoch gegen alle angewendet, die in Opposition stehen oder Premierminister Mahathir kritisieren. Nach ISA Verhaftete erfahren den Grund ihrer Haft nicht, und ihnen werden Anwälte verweigert. Das aber verstößt gegen die Verfassung.

Hat der 11. September die Situation der politischen Gefangenen beeinflusst?

Früher äußerte sich die internationale Gemeinschaft deutlich zur Menschenrechtssituation in Malaysia. Mit dem 11. September rückte der Kampf gegen den Terrorismus in den Vordergrund. Malaysias Regierung hat davon profitiert und mehr Menschen nach ISA verhaftet. Allein im vergangenen Jahr waren es 60. Der Vorwand ist, sie stünden in Verbindung mit Ussama Bin Laden oder seien in die Anschläge vom 11. September involviert.

Wie geht es Ihnen jetzt?

Zurzeit sind wir in einem „weichen“ Hungerstreik, in dem wir das Anstaltsessen verweigern und nur Kekse und Wasser zu uns nehmen. Einige von uns haben bereits 20 Kilogramm verloren. Am 10. April, dem Jahrestag unserer Verhaftung, wollen wir einen totalen Hungerstreik beginnen. Viele von uns sind schon jetzt schwach, lethargisch, und manche verlieren Blut beim Wasserlassen. Der totale Hungerstreik wird sicher sehr schwer für uns und unsere Gesundheit gefährden.

Wie kann die deutsche Öffentlichkeit helfen?

Deutsche Konzerne investieren Millionen in Malaysia. Siemens macht hier jährlich Geschäfte von rund 250 Millionen Euro. Diese deutschen Firmen stärken Malaysias Wirtschaft, während Malaysias Regierung die Bürger unterdrückt, was sie sich nur wegen der starken Wirtschaft leisten kann. Wenn die ausländischen Regierungen nur reden, kann Malaysias Regierung das ignorieren. Aber wenn sich ausländische Konzerne äußern, wird das die Regierung einschüchtern. Investitionen sollten an Menschenrechte, Freiheit und Demokratie geknüpft werden.

Ein US-Pensionsfonds hat sich wegen der Menschenrechtsverletzungen bereits aus Malaysia zurückgezogen. Wenn Malaysias Regierung weiß, dass deutsche Firmen nur investieren, wenn sie die Menschenrechte stärkt, wird etwas passieren. Die Deutschen können also den Kontakt zu ihren Konzernen suchen und dafür sorgen, dass diese sich um die Menschenrechte kümmern, notfalls mit Boykotts.

INTERVIEW: ANDREAS FULDA

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