Atmosphäre panischer Heiterkeit

Das Sparpaket: Kultur bleibt Schwerpunkt, freut sich Thomas Flierl. Bildung auch, jubelt Klaus Böger. Doch der Teufel steckt im Detail. Die Altbausanierung fällt flach. Für Kultur soll der Bund blechen. Und den Jugendprojekten geht es an den Kragen

Das Ende der Sanierung

Obwohl Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) zu den Verlierern der Haushaltsklausur gehört, wurde in seinem Amtssitz gestern business as usual gepredigt, ganz nach dem Motto „Alles nicht so schlimm“. Dabei hat Strieder allein im Bereich der Stadterneuerung mehr als 200 Millionen Euro jährlich verloren. Statt 293 Millionen können in den nächsten beiden Jahren jeweils nur noch 80 Millionen Euro ausgegeben werden.

Laut Strieders Sprecher Joachim Günther sollen künftig keine privaten, sondern nur noch öffentliche Vorhaben gefördert werden. Das bedeutet das Ende der öffentlich geförderten Altbausanierung. Die wurde nämlich bislang immer als Zuschuss an die Eigentümer mitfinanziert, um die Mieten in Grenzen zu halten. Wie sich die einzelnen Haushaltstitel aufteilen, konnte Günther noch nicht sagen. Unklar ist auch noch die Zukunft des Quartiersmanagements. Weitgehend erhalten bleiben die Ausgaben für die bauliche Unterhaltung öffentlicher Gebäude. Auch die Zuwendungen für den ÖPNV sind mit 95 Millionen Euro jährlich statt bislang 99,7 Millionen glimpflich davongekommen.

Fusion der Ballette

Kultur- und Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) gehört zu den Gewinnern des Haushaltspokers. Noch vor zwei Wochen schien es, als müsse seine Verwaltung am meisten zur Ader gelasser werden. Dass es nun ganz anders gekommen ist, wertete Flierl gestern als Erfolg: „Wissenschaft und Kultur bleiben Schwerpunkt der Politik des rot-roten Senats.“ In der Tat fallen die Kürzungen bei der Kultur, verglichen mit den vorigen Horrorszenarien, milde aus. Die Ballette der Staatsoper und der Deutschen Oper werden zusammengelegt. Das spart 1 Million Euro. Dem Friedrichstadtpalast werden 1,7 Millionen Euro gestrichen, den Kunstwerken, dem Künstlerhaus Bethanien und anderen Einrichtungen 400.000 Euro. Geschlossen wird auch der Künstlerhof Buch der Akademie der Künste (300.000 Euro). Der Großteil der Einsparungen wird dagegen auf den Bund abgewälzt. Das betrifft sowohl die investiven Mittel für die Museumsinsel (31 Mill. Euro), die aus dem Landesetat vollständig gestrichen werden, als auch die so genannten pauschalen Minderausgaben. Die hierfür veranschlagten 27 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2003 will Flierl nicht durch weitere Einsparungen erbringen, sondern durch die weitere Übernahme Berliner Einrichtungen durch den Bund. Kein Wunder, dass sich der Kultursenator gestern freute, dass es „keine Grausamkeiten“ wie etwa die Schließung von Einrichtungen gegeben habe. Allerdings sei der Kulturetat eher ein „Wechsel auf die Zukunft“. Insgesamt, so Flierl, hätten die Etatverhandlungen „in einer Atmosphäre panischer Heiterkeit“ stattgefunden.

Schulkürzung gekürzt

Im Vergleich zu anderen Ressorts ist der Bildungsbereich zwar mit einem blauen Auge davongekommen, Einschnitte aber gibt es auch hier. Die Personalkostenzuschüsse für die Freien Schulen, für die in der vergangenen Woche Tausende auf die Straße gingen, werden 2003 zunächst um 2 Prozent gesenkt. Bis 2006 werden noch mal 2 Prozent gekürzt. Die anvisierte Reduktion um insgesamt 7 Prozent ist damit vom Tisch. Bei den berufsbildenen Schulen werden Lern- und Lehrmittel zusammengestrichen, von zuletzt 6,7 Millionen auf nur noch 4,5 Mill. Euro im Jahr 2003. Auch beim Programm Computer in die Schulen (Cids) wird gekürzt. Die Schulbürokratie soll unter anderem durch die Auflösung des Landesschulamtes „drastisch verschlankt“ und um einige hundert Stellen reduziert werden.

Mehr Kids pro Erzieherin

In den Kindertagesstätten wird der Personalschlüssel für die Schulhorte angehoben. Eine Erzieherin ist hier künftig nicht mehr für 16, sondern für 21 Kinder zuständig. Zudem wird die Freistellung für die Kitaleiterinnen reduziert. Auch durch die Übertragung von bezirklichen Kitas in freie Trägerschaft soll gespart werden.

Bildungssenator Klaus Böger (SPD) ist zufrieden: „Bildung bleibt Schwerpunkt, auch wenn wir schmerzhafte Einschnitte durchführen müsssen“, sagt sein Sprecher. So bleiben von den 2.140 Lehrerstellen, die in den kommenden Jahren durch den Schülerrückgang besonders im Ostteil der Stadt frei werden, 1.040 erhalten. Sie werden für pädagogische Verbesserungen wie Ganztagsgrundschulen eingesetzt. Zudem gebe es einen Einstellungskorridor für junge Lehrer. Das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm soll mit 52 Millionen Euro unverändert erhalten bleiben.

Jugend ohne Politik

Den Jugendprojekten geht es an den Kragen. 4,2 Millionen Euro will der Senat bei den Zuwendungen in diesem Bereich einsparen. Die Förderung der Partei-Jugendorganisationen wird eingestellt. Das bringt 100.000 Euro. Die Zuschüsse für das Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) in der Wuhlheide werden von 6,8 Millionen Euro auf 5,5 gekürzt, die Finanzierung von Ferienlagern ist in Frage gestellt. Woher die restlichen Einsparungen kommen sollen, ist noch offen. Hierfür sollen vor allem Doppelangebote abgebaut werden.

Soziales spart später

Auch im Sozialressort geht es Verbänden und Projekten an den Kragen. Ihre Zuwendungen sollen im kommenden Jahr um 5 Millionen Euro gekürzt werden. Für dieses Jahr habe man Kürzungen abwehren können, sagt die Sprecherin der Verwaltung, Roswitha Steinbrenner. Deshalb bleibe jetzt Zeit, sich mit den Trägern an einen Tisch zu setzen. Aus dem Zuwendungstopf werden so unterschiedliche Einrichtungen wie Projekte der Wohlfahrtverbände, der Drogenhilfe und der Ausländerbeauftragten, aber auch die Stadtteilzentren und der Telebus finanziert.

Die Sozialhilfe will der Senat in den Jahren 2002/2003 um 250 Millionen Euro kürzen (siehe Interview). Die Zuweisung an die Bezirke soll auf Durchschnittspauschalen umgestellt und die Ausgabenkontrolle verstärkt werden. Zudem sollen jährlich 6.000 Sozialhilfeempfängern Arbeitsplätze vermittelt werden.

Darüber hinaus will der Senat zwei eigenständige Institute aufgegeben. Das Landesinstitut für Sportmedizin soll privatisiert werden, die Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe im Jahr 2003 ihre Eigenständigkeit verlieren und in der Verwaltungsakademie aufgehen.

Frauen geht ins Kino

Gespart wird auch bei der Wirtschaftsförderung. Geld gibt es nur noch für Neuansiedlungen und wirtschaftsnahe Infrastrukturmaßnahmen. Andere Infrastrukturmaßnahmen, die die Wirtschaftsverwaltung bisher zum Teil mitfinanziert hat, werden gestrichen. Der Zukunftsfonds entfält. Für die Investitionsförderung stehen 2003 nur noch 214,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Filmförderung wird jedoch von 7,5 auf 10 Millionen Euro erhöht.

Für Arbeitsmarktprogramme gibt es dieses Jahr 192 Millionen Euro, im nächsten sind es noch 188 Millionen Euro. Bei den Frauenprojekten wird von 13 Millionen Euro eine halbe Million gestrichen. Die Wirtschaftsverwaltung hofft, dies intern auszugleichen; keines der derzeit 90 Projekte soll schließen.

Polizei bleibt am Boden

Die Polizei muss weiter mit ihren beiden Hubschraubern aus Vor-Wende-Beständen der Nationalen Volksarmee fliegen. Einen rund 8 Millionen Euro teuren neuen Helikopter, schon im vergangenen Jahr vorgesehen, gibt es auch dieses Jahr nicht. Auch zwei als dringend bezeichnete Baumaßnahmen für Polizei und Feuerwehr für zusammen 6,4 Millionen Euro fallen flach. Ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei kritisierte die Kürzungen scharf: „Da muss erst ein Hubschrauber vom Himmel fallen, bis sich etwas ändert.“ Immerhin: In diesem Jahr sollen alle 580 Polizei-Azubis übernommen werden, zudem 120 Nachwuchsleute bei der Feuerwehr.

Justitia ohne Kleingeld

Die Justizverwaltung hat den Stein der Weisen gefunden: Mit weniger Geld als bisher will sie ihre Verwaltung und die Gerichte modernisieren und etwa mit Computern ausstatten. Dabei hatte Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) in ihrer Bewerbungsrede noch zusätzliche Mittel für die Technisierung gefordert: „Dazu braucht man am Anfang etwas Geld, Herr Finanzsenator.“ Das gab Thilo Sarrazin aber nicht. Für Schubert-Sprecher Helmut Lölhöffel ist das kein Widerspruch: Die Modernisierung werde fortgesetzt, bewege sich jetzt aber nur „am unteren Rand“. Die Justizverwaltung hielt als einziger Senatsbereich mit konkreten Zahlen hinterm Berg. Es sei aber gewährleistet, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften funktionsfähig und die Haftanstalten sicher bleiben.

Personal in Pension

Stellenstreichungen heißt im kündigungssicheren öffentlichen Dienst: Wenn einer in Rente geht, kommt kein anderer auf den Posten. 11.880-mal soll das bis 2006 passieren und insgesamt über eine halbe Milliarde Euro sparen. Schon in diesem Jahr sind rund 2.500 Stellen betroffen, zwei Drittel davon in den Bezirken. 300 Stellen können wegfallen, weil die West-Beamten 40 statt bisher 39,5 Stunden arbeiten müssen und die Pausen der Polizisten neu geregelt werden. Eine weitere halbe Milliarde will der Senat 2003 und 2004 über einen Solidarpakt mit den Gewerkschaften einsparen. Verhandelt wurde darüber bisher nicht. ROT, SAM, STA, WERA