Unbehagte Presse

Bayerische Landtagsjournalisten: Stoiber verletzt Informationspflicht. Medienminister Huber abgetaucht

MÜNCHEN taz ■ Ausgerechnet zu Beginn seiner Kanzlerkandidatur verscherzt es sich Edmund Stoiber mit den Münchner Politikjournalisten. Die Pressestelle des Ministerpräsidenten in der Staatskanzlei verletzt die Informationspflicht gegenüber den Medien so stark, dass dies die Mitglieder des Vereins „Bayerische Landtagspresse“ bei ihrer Jahresversammlung erstmals mit einer einstimmig beschlossenen Resolution offiziell rüffelten. Der Vereinsvorsitzende Rudolf Erhard, warnte den zuständigen Minister Erwin Huber schriftlich, er habe „ein solches Unbehagen im Kollegenkreis über die Pressearbeit der Staatskanzlei noch nicht erlebt“.

In Bayern steht, wie in anderen Bundesländern, in einem Landesgesetz: „Die Presse hat gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft.“ Doch die Realität sieht anders aus. Immer öfter geht die Staatskanzlei auf Tauchstation. Brisante Fragen von Journalisten beantworten die vier Regierungssprecher zum Teil gar nicht mehr. Und das hänge mit der Kanzlerkandidatur des Bayernregenten zusammen, schreibt Erhard: Die gleichen PR-Leute der Staatskanzlei, die die Münchner Landtagspresse oft tagelang auf Auskünfte warten lasse, „finden Zeit in Berlin (!) Hintergrundgespräche für Journalisten zu veranstalten“. Die Regierungspressestelle habe die Betreuung des Kanzlerkandidaten fast vollends an sich gezogen. „Das stimmt nicht“, sagt dagegen Regierungssprecher Ulrich Wilhelm: Staatskanzleisprecher Martin Neumeyer habe sich nur zweimal am Abend in Berlin mit Journalisten getroffen.

Völlig abgetaucht ist hingegen Erwin Huber. Der Medienstaatsminister drückt sich seit acht Wochen vor den Parlamentsjournalisten, die ihn zur Rolle der Staatsregierung in Sachen Leo Kirch befragen wollen.

Stoibers PR-Chef Wilhelm zeigt Verständnis für die Klagen der Journalisten. Er will sich mit Erhard zusammensetzen und die Probleme Punkt für Punkt durchgehen. „Die sprunghaft gestiegene Anzahl von Anfragen“ habe die Pressestelle überlastet, entschuldigt sich Wilhelm: „Das kollegiale und gute Verhältnis“ sei davon aber nicht betroffen. Damit scheint er richtig zu liegen: Anders als den Sprecher des früheren Ministerpräsidenten Max Streibl will ihn die Landtagspresse nicht absägen. Der Streibl-Sprecher war Anfang der 90er-Jahre mit Unterstützung des damaligen Innenministers Stoiber abgesetzt worden, weil er bestimmte Journalisten bevorzugt – und andere falsch informiert hatte. OLIVER HINZ