Obstgift vor Wiederauferstehung

Landwirte machen massiv Druck für Wiederzulassung des verbotenen Antibiotikums Plantomycin. Bundesministerin in der Klemme, SPDler fordert zu zivilem Ungehorsam auf. Nabu-Vorschlag: Verbot, aber Versicherung für Bauern.

BERLIN taz ■ Ein Baustein der Agrarwende steht aktuell schwer unter Beschuss: Die Obstbauern vom Bodensee und der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion fordern von Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne), das bislang verbotene Antibiotikum Plantomycin wieder zuzulassen. Ministerium und Umweltverbände sperren sich gegen diesen Schritt und die Zeit drängt: In den nächsten drei Wochen beginnt im Anbaugebiet die Obstblüte. Dann muss Klarheit herrschen, ob die Bauern spritzen dürfen.

Plantomycin ist ein Antibiotikum, das die Bauern jahrelang gegen die Bakterienkrankheit Feuerbrand an den Obstbäumen eingesetzt haben. Das Mittel wurde früher auch bei der medizinischen Behandlung von Menschen und Tieren eingesetzt. Zunehmend wird aber als Problem erkannt, dass der flächendeckende Einsatz von Antibiotika dazu führt, dass die Bakterien resistent und für die Menschen gefährlich werden. Weil im Jahr 2000 die Grenzwerte für Plantomycin im Honig überschritten wurden, setzte die Biologische Bundesanstalt die Zulassung des Mittels aus.

Das wollen die Obstbauern nun rückgängig machen. Beim Bodenseeobsttag letzte Woche schlugen die Wellen der Empörung hoch. Matthias Weisheit, SPD-Abgeordneter aus Biberach und agrarpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, fordert ebenfalls eine Wiederzulassung. Komme sie nicht in dieser Woche, so Weisheit, werde er „zum zivilen Ungehorsam aufrufen“. Auf die empörten Reaktionen auch aus dem Künast-Ministerium reagierte Weisheit: Er werde „nicht zum illegalen Einsatz von Plantomycin aufrufen“, erklärte er gegenüber der taz, sondern andere Formen des Ungehorsams wählen. Das Thema beschäftigt diese Woche mehrfach auch die Fraktionsspitzen von Rot-Grün.

Die Entscheidung über eine Wiederzulassung sei noch nicht gefallen, heißt es aus dem Verbraucherministerium. Man sei „not amused“ über das Ultimatum des SPD-Politikers Weisheit. „Wenn wir Plantomycin wieder zulassen, bekommen wir Probleme mit Antibiotikaresistenzen“, lautet die Begründung. In diesem Frühjahr starte ein Forschungsprojekt mit alternativen Methoden zur Bekämpfung des Feuerbrandes. Außerdem führt das Ministerium Gespräche mit den ebenfalls betroffenen Ländern Österreich, Schweiz und Südtirol, um Wettbewerbsnachteile für die deutschen Bauern auszuschließen. Aus Gründen des Verbraucherschutzes müsse nun nach einer „vernünftigen Lösung“ gesucht werden.

Eine solche mögliche Lösung schlägt der Präsident des Naturschutzbundes (Nabu), Jochen Flasbarth, vor. Es sei nicht zu verantworten, das Mittel wieder zuzulassen, andererseits müsse aber auch den Bauern geholfen werden. Er schlägt vor, eine „Feuerbrand-Kasse“ einzurichten, die zumindest zu Beginn durch staatliche Zuschüsse aufgefüllt werden solle. Später solle sie sich dann aus Zahlungen der Bauern finanzieren. Mittelfristig müsse man durch alternative Methoden oder den Ökolandbau dazu kommen, „sogenannten naturreinen Honig wieder rückstandsfrei anzubieten.“ Ohnehin könne das Risiko für Feuerbrand durch rechtzeitiges Beschneiden der Bäume um 70 Prozent gemindert werden. Die Obstbauern könnten sich nicht beklagen, denn sie genössen bereits eine Ausnahmeregel. „Die Rückstandsanforderungen bei anderen Pflanzenprodukten sind wesentlich höher.“

BERNHARD PÖTTER