Türchen auf, Türchen zu: Zuwanderung in Europa

Im deutschen Bundesrat wird morgen über das Zuwanderungsgesetz entschieden. Falls der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine Mehrheit findet, bekommt Deutschland ab dem 1. 1. 2003 zum ersten Mal in seiner Geschichte ein umfassendes Einwanderungsrecht. Der Anwerbestopp von 1973 wird aufgehoben. Das bedeutet eine Abkehr von der bisherigen Abschottungspolitik und signalisiert eine Öffnung. Allerdings wurde der „Zweck des Gesetzes“ bewusst vorsichtig und defensiv formuliert: „Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern.“

Nun muss der Bundesrat entscheiden, ob dieses Gesetz in Kraft treten kann – eine historische Entscheidung, die auch außerhalb Deutschlands mit Interesse verfolgt wird. Wenn das größte Land der EU ein neues Einwanderungsrecht beschließt, hat das Folgen für die angestrebte Harmonisierung der EU-Einwanderungspolitik.

In der deutschen Debatte über das Zuwanderungsgesetz ist dieser Aspekt völlig untergegangen. Die öffentliche Berichterstattung konzentrierte sich auf den innenpolitischen Machtkampf und die Taktiererei der Parteien. Für einen Blick über die Grenzen fand kaum jemand Zeit.

Die taz versucht heute, eine Einordnung des deutschen Zuwanderungsgesetzes in den europäischen Kontext zu liefern. Wie regeln andere Länder den Zuzug von Ausländern? Gibt es einen Konsens unter den großen Parteien oder heftigen Streit wie in Deutschland? Wie gehen andere europäische Länder mit Flüchtlingen um? Welche Bemühungen gibt es für die Integration von Immigranten?

Das Ergebnis: In vielen Ländern ist die Ausländerpolitik in den letzten Jahren deutlich restriktiver geworden. Nicht nur in Deutschland ist immer öfter von „Begrenzung“ die Rede. Beim Familiennachzugsalter ist Deutschland allerdings mit der jetzt vorgesehenen Regelung (12 Jahre) europaweit isoliert. Fast in allen Ländern liegt das Kindernachzugsalter bei 18.

Auch beim Schutz von Opfern nichtstaatlicher Verfolgung sind viele Länder großzügiger als Deutschland, das sie bisher nur vor Abschiebung schützt. Auch der neue Gesetzentwurf sieht nur eine Statusverbesserung vor, aber kein Asyl. Der heftige Streit darüber wirkt noch absurder, wenn man die Zahl der Asylbewerber vergleicht. Auf 1.000 Einwohner kommen in Deutschland lediglich 0,96 Asylbewerber. Damit liegt Deutschland europaweit an zwölfter Stelle.

NADIA LEIHS/LUKAS WALLRAFF