DGB stört sich an dreigliedriger deutscher Schule

Deutsche Pisa-Ergebnisse sind so schlecht, weil die Schüler zu früh getrennt werden. Meinen Gewerkschafter – und widersprechen eigener „Studie“

BERLIN taz ■ Jetzt hat sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in den Reigen der Reformer nach Pisa begeben. Das DGB-Vorstandsmitglied Ingrid Sehrbrock tat dabei etwas, was bislang alle Beteiligten tunlichst vermieden haben – sie kritisierte das deutsche mehrgliedrige Schulsystem scharf. Deutsche SchülerInnen würden bereits im Alter von zehn Jahren auseinander dividiert. Das kritisierte Sehrbrock mit Blick auf die Tatsache, dass deutsche Schüler nur vier Jahre gemeinsam in der Grundschule lernen. Die Folge der frühen Auslese sei, dass sich die weiterführenden Schulen Hauptschule, Realschule und Gymnasium einer intensiven Förderung aller Schüler enthielten.

Sehrbrock liegt damit auf der Linie, die vor allem ausländische Beobachter an der deutschen Schule monieren: dass sie die Schüler nach einer viel zu kurzen Grundschulphase auf drei völlig unterschiedliche Schulzweige schicke. Nirgendwo in den Pisa-Ländern der OECD wird dies so gehandhabt. Unglücklicherweise widersprach Sehrbrock aber einem Gutachten, das sie selbst zu Pisa in Auftrag gegeben hatte – und der Öffentlichkeit gestern präsentierte.

Der Münsteraner Sozialwissenschaftler Guido Meiners kommt nämlich zu dem Schluss: Das „relativ schlechte Abschneiden“ der deutschen Schüler werde in der Pisa-Studie „nicht als notwendige Folge des vertikal gegliederten Schulsystems“ gewertet – sprich der Aufteilung in Haupt-, Realschule und Gymnasium. Bei den Folgen waren sich Meiners und Sehrbrock wieder einig: Das deutsche Schulsystem verstärke jene Unterschiede, welche die Schüler durch die verschiedenen soziale und bildungsmäßige Herkunft aus ihren Familien mitbrächten.

Sehrbrock war sich indes sicher, dass die Reform des Schulsystems nur schleppend zu Ergebnissen kommen werde. „Wir haben das Problem des föderalen Systems“, verwies die Gewerkschafterin auf die zögerliche Kooperation der Kultusminister der Länder nach Pisa. Die ersten Ergebnisse der Kultusministerkonferenz gehen dem DGB nicht weit genug. Sehrbrock verspricht sich von der Veröffentlichung des innerdeutschen Pisa-Vergleichs neuen Schwung in der Diskussion. Die Resultate der einzelnen Bundesländer sollen voraussichtlich im Juli bekannt werden. NADIA LEIHS