Viertklässler fehlorientiert

■ Weil ihre Kinder nicht an der gewünschten Schule die Orientierungsstufe besuchen dürfen, gehen Eltern auf die Barrikaden. Schulbehörde: „Das kommt jedes Jahr vor.“

In der Klasse 4a der Grundschule Lessingstraße ist die Welt nicht mehr in Ordnung. Zehn bis zwölf Kinder sollen nach dem Willen der Schulplaner im nächsten Jahr nicht im Schulzentrum in der Brokstraße - wie von den Eltern gewünscht -, sondern in der Schaumburgerstraße auf die Orientierungsstufe gehen. Das verkündete unlängst die Direktorin der Schule in der Klasse. „Warum sollen ausgerechnet wir unsere Kinder an eine andere Schule schicken“, fragt Thomas Sobottka, Vater eines der betroffenen Kinder, erbost. Am Mittwoch standen knapp 20 Eltern bei Bildungssenator Willi Lemke (SPD) vor der Tür.

Insgesamt 69 ViertklässlerInnen aus verschiedenen Schulen wollen im nächsten Jahr die Schule in der Brokstraße besuchen, bei 91 gaben die Eltern die Schaumburgerstraße als Wunsch-Schule an. Um möglichst viele Kinder mit möglichst wenig LehrerInnen unterrichten zu können, will das Bildungsressort allerdings alle Klassen gleichmäßig mit 27 bis 30 SchülerInnen füllen - sowohl mit 69 als auch mit 91 Kindern schlicht unmöglich. Den Wünschen der Eltern könne „nur im Rahmen der gleichmäßigen Auslastung der Schulen entsprochen werden, heißt es im Schul-Ortsgesetz. Das sieht auch Vater Sobottka ein. Aber: „Warum trifft es ausgerechnet unsere Klasse?“ Welches Kind beim Wechsel von der Grundschule in die Orientierungsstufe welcher Schule zugewiesen wird, regeln normalerweise Vertreter der betroffenen Schulen und der Eltern auf einer von insgesamt fünf Bremer „Regionalkonferenzen“ - zunächst ohne Beteiligung der Bildungsbehörde. Nicht immer aber ist das Ressort mit den Ergebnissen der „autonomen“ Konferenzen zufrieden. „Die tun sich manchmal schwer, sich über massierte Elternproteste hinwegzusetzen“ , weiß Ulrich Kaschner, der sich in Lemkes Behörde um die Verteilung der SchülerInnen kümmert. So auch im Fall von Brokstraße und Schaumburgerstraße. Kaschner: „Dann müssen wir intervenieren.“

Vorgeblich entscheidet die Behörde dann nach dem Schulweg: Wer am nächsten zu der anderen Schule wohne, müsse wechseln. Sobottka bezweifelt das: „Das wird alles hinter der Hand gemacht.“ Statt eindeutige und für alle gültige Kriterien anzuwenden, habe die Behörde die SchülerInnen der Klasse 4a der Grundschule Lessingstraße zur Verschiebemasse auserkoren: „Die versuchen, uns unter Druck zu setzen. Gegen diese „Ungleichbehandlung“ will der Vater notfalls bis vor Gericht zu ziehen: „Ich bin wild entschlossen.“ Im Bildungsressort sieht man dem jedoch gelassen entgegen. Bei der Verteilung der SchülerInnen auf die einzelnen Schulen gebe es Jahr wieder Proteste, sagt Kaschner. Die etwa 20 Widersprüche, die in diesem Bereich jährlich eingingen, hätten vor Gericht aber im Prinzip nie Erfolg: „Es geht ja nicht um die Schulart, sondern lediglich um den Standort.“

Verständnis für die wütenden Eltern äußerte indes der Orientierungsstufenleiter am Schulzentrum Julius-Brecht-Allee, Ingolf Bustian: „Das Verfahren erscheint vielen undurchsichtig.“ Nötig seien aus seiner Sicht etwa klare Bezirksgrenzen für die einzelnen Schulen - oder ein offenes Bekenntnis dazu, dass der Elternwille an erster Stelle stehen soll. Dann wäre auch für die Schulen der Anreiz größer, ein eigenes Profil zu entwickeln. Bustian weiß, dass bei einer solchen Wahlfreiheit nicht alle Klassen mit 27 bis 30 SchülerInnen gefüllt wären. Aber, so fragt er: „Wäre das so schlimm?“ hoi