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Bis die Lungen brennen

Auf der Themse startet am Samstag das 148. Ruderrennen zwischen Oxford und Cambridge. Die dafür auserwählten Studenten müssen sich dabei sechs Kilometer lang am Riemen reißen

Cambridge hat 77-mal gewonnen, Oxford 69-mal. Einmal gab es ein Unentschieden

aus Oxford JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Eigentlich ist es immer das Gleiche. Oxford gegen Cambridge, Cambridge gegen Oxford, Oxford gegen Cambridge. Selbst wenn man das Sportzentrum der Oxford University an einem verregneten Sonntag im Frühling betritt, um einen Ruderer zu treffen, spielen Studenten unten in der Halle gerade Basketball. Die Zuschauer schreien, weil Oxford gegen Cambridge in Führung gegangen ist.

In der Familie von Ben Burch, dem Ruderer, ist es so ähnlich. Der Vater hat als Student für Cambridge gerudert, der Sohn, er rudert seit er dreizehn ist, fährt im Oxford-Achter. Es hätte aber auch bei ihm durchaus Cambridge sein können, wo Ben Burch, 22 Jahre alt, Tiermedizin studieren wollte. In Cambridge ist er nicht genommen worden, dafür hat es mit Maschinenbau in Oxford geklappt. Aber darum geht es eigentlich nicht. Es geht nur darum, dass Ben Burch das Rennen Oxford gegen Cambridge, das in England einfach nur „The Boatrace“ genannt wird und das am Samstag zum 148. Mal stattfindet, um jeden Preis gewinnen will.

Es sind nur drei Kurven auf der Themse in West-London, die Burch und die sieben anderen Studenten im ersten Boot, dem so genannten Blue Boat, rudern. Aber insgesamt müssen die beiden Mannschaften sechs Kilometer, also dreimal die olympische Distanz, zurücklegen, und Ben Burch sagt, dass es sich nach den knapp 20 Minuten völliger Verausgabung anfühlt, als brennten seine Lungen und als seien seine Beine nur noch ein riesiger Schmerz. „Du kannst nur noch darauf warten, dass der Schmerz vorbeigeht“, sagt er.

Ben Burch hat schon zweimal teilgenommen am angeblich härtesten Ruder-Rennen der Welt. Im Jahr 2000 hat Burch gewonnen, im letzten Jahr verloren. Nie hat er die hunderttausende Londoner und ihre Schreie am Ufer wahrgenommen. Nun ist es sein letztes Jahr in Oxford, und seine Lebensplanung reicht bereits über den Samstag hinaus: „Der Plan ist“, sagt Burch, Präsident des Oxford University Boat Clubs, „in diesem Jahr in die britische Ruder-Nationalmannschaft zu kommen und dann bei Olympia 2004 in Athen im England-Achter zu sitzen.“ Die Chancen dafür stünden gut.

Man glaubt es ihm, nicht nur, weil er fast kraftstrotzende zwei Meter misst. Und dass im Oxford-Achter der Holländer Eggenkamp, der bei Olympia in Sydney gerudert ist, und der Amerikaner McGee, der im US-Team fährt, sitzen, sagt ja schon alles über die Qualität im Boot. Allesamt sind sie Professionelle, aber gleichzeitig eben auch Studenten an der renommiertesten Universität der Welt. Deshalb steht Ben Burch jeden Morgen um halb sieben auf und geht abends um halb zehn ins Bett. Er sagt, dass es ihm egal sei, dass viele andere Studenten um diese Zeit das Haus erst verlassen. „Ich habe ein bisschen mehr vor, als mit Freunden Bier zu trinken und auf Partys zu gehen“, sagt er.

Zwölfmal die Woche ist Training, morgens rudern sie 20 Kilometer auf dem Wasser, nachmittags eineinhalb Stunden auf der Rudermaschine; oder sie heben Gewichte. Jeden Tag kostet das sechs Stunden, mindestens. Ruderer, sagt Burch, müssen es wohl irgendwie mögen, wenn sie vor Erschöpfung Sterne sehen und ihr Gleichgewicht nicht mehr halten können. Manche Kollegen müssen sich nach dem Training übergeben.

Es ist gar nicht so leicht, zu rudern und gleichzeitig in Oxford zu studieren. Dennoch hätten alle im Team gute Noten. Das käme freilich nicht daher, dass man als Mitglied des Oxford-Achters bevorzugt behandelt würde. Im Gegenteil: Viele Professoren wüssten gar nicht, wer da für sie rudert. Andererseits scheint es aber so, dass es für eine Bewerbung an den Elite-Universitäten von Vorteil sein kann, wenn man ein ausgezeichneter Ruderer ist. „Die sagen einem dann schon, was man studieren soll“, erzählt Burch.

„Wenn du einmal vorne bist, ist es so gut wie sicher, dass du gewinnst“

Vor drei Wochen ist Ben Burch mit der 18-köpfigen Mannschaft aus Oxford nach London gezogen, um jeden Tag auf der Themse zu trainieren. „Den Fluss kennen lernen“, nennen sie das. Denn das Rennen beginnt mittags, wenn in der Themse die Flut kommt, eine Stunde vor Hochwasser im Stadtviertel Putney. Der Steuermann hat vorher tagelang mit Experten die Strömung gemessen, um den besten Kurs für das Rennen, in dem die Boote gegen den Strom fahren, zu finden. Das ist wichtig, weil das Rennen meist am Anfang entschieden wird. „Wenn du einmal vorne bist“, sagt Burch, „ist es so gut wie sicher, dass du gewinnst.“ Vor zwei Jahren, als Oxford die sieben Jahre dauernde Siegesserie von Cambridge gebrochen hat, hat Ben Burch „schon nach vier Minuten gewusst, dass wir gewinnen werden. Jeder im Boot hat das gewusst. Das spürt man einfach.“

Wie oft im Sport ist es auch beim Boatrace so, dass der Erste, der einen Fehler macht, verliert. Um jeden kleinsten Fehler zu vermeiden, tun sie deshalb alles: Um den Oxford-Achter kümmern sich sechs Trainer, drei weitere Ruderexperten, die beraten, eine Psychologin sowie ein Arzt. Nichts überlassen sie dem Zufall. Und die Ruderer bekommen, wenn sie gewinnen, am Ende nichts als einen Pokal. Kein Geld. „Nur Ehre“, sagt Burch.

Laut den Veranstaltern werden weltweit 400 Millionen Menschen vor den Fernsehgeräten sitzen, um eines der traditionsreichsten Sportereignisse überhaupt zu verfolgen. Cambridge hat 77-mal gewonnen, Oxford 69-mal. 1877 gab es das bisher einzige Unentschieden, sechsmal ist eines der Boote untergegangen.

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