Uranstaub schwebt jahrelang

Anhaltende Gefährdung der jugoslawischen Bevölkerung durch Uranmunition. UNO-Umweltprogramm stellt mit neuem Verfahren erstmals Uranstaubpartikel in der Luft fest; Nato-Munition rostet schnell und kann so Grundwasser kontaminieren

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Drei Jahre nach dem Einsatz von Bomben-und Raketenmunition mit abgereichertem Uran im Luftkrieg der Nato gegen Jugoslawien besteht für die Bevölkerung Serbiens und Montenegro weiterhin eine nicht genau kalkulierbare Gesundheitsgefährdung. Das geht aus einem Untersuchungsbericht des UNO-Umweltprogramms (Unep) hervor, der am Mittwoch in Genf veröffentlicht wurde. Als „überraschend“ bewertete der Leiter des Unep-Expertenteams, Pekka Haavisto, drei Ergebnisse der Ende Oktober/Anfang November 2001 durchgeführten Vor-Ort-Untersuchung: Noch zweieinhalb Jahre nach dem Krieg stellte das Team Staubpartikel mit abgereichertem Uran in der Luft fest. Nicht explodierte Munitionsteile, die noch abgereichertes Uran enthalten und bis zu einem halben Meter unter der Erdoberfläche liegen, rosten mit einer unerwartet hohen Geschwindigkeit. Schließlich fand das Unep-Team Nato-Munitionsteile und Uranstaubpartikel in der serbischen Stadt Pljackovica, die nach Darstellung der Nato aber überhaupt nicht beschossen wurde.

Bereits im Frühjahr 2001 hatte die Unep 11 der – nach Nato-Angaben – 85 Einschlagorte von Uranmunition im Kosovo untersucht und dabei – wie jetzt in Serbien und Montenegro – eine „leichte“ Verstrahlung und Verseuchung von Boden und Pflanzen festgestellt. Bei der Kosovo-Untersuchung verfügten die Unep-Experten aber noch nicht über die Spezialgeräte zur Luftanalyse, mit deren Hilfe sie jetzt an 2 der 6 untersuchten Orte in Serbien und Montenegro Uranstaubpartikel in der Luft feststellten. Diese Staubpartikel können durch die Atemwege in den menschlichen Körper gelangen und dort durch jahrelange Strahlung eine Vielfaches der schädlichen Wirkung entfalten, die durch einmalige äußere Berührung entsteht.

Wegen der „Gefährdung des Grundwassers“ durch Uran, das aus verrosteten Munitionsteilen in den Boden gelangt, empfiehlt die Unep eine „regelmäßige jährliche“ Untersuchung der Wasserqualität. Daher wäre es „interessant“, erklärte Haavisto gegenüber der taz, „wenn auch die Zielorte in Bosnien-Herzegowina untersucht würden, gegen die US-Luftstreitkräfte bereits 1994/95 Uranmunition eingesetzt“ hatten.

Mit Blick auf Serbien und Montenegro will die Unep – ähnlich wie zuvor beim Kosovo – trotz aller potenziellen Gefahren „nicht“ von einem „direkten Gesundheitsrisiko“ für die Bevölkerung sprechen. Alleinige Kriterien für diese Einschätzung sind die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Belastungsgrenzwerte. Haavisto räumte gestern ein, dass diese Werte „ auch unter Wissenschaftlern“ erheblich umstritten sind.