„Der Mix stimmt einfach“

Ein Tourismusexperte im Interview: Urlaub mit dem Rad boomt, vor allem im Osten Deutschlands. Weil die Bahn die Velo-Mitnahme vernachlässigt, übernehmen das die Reiseveranstalter

Interview LARS KLAASSEN

Vor einer Woche ging in Berlin die Internationale Tourismusbörse (ITB), die größte ihrer Art, zu Ende. Dort drehte sich mitnichten alles um ferne exotische Reiseziele. Ein neuer Trend zeichnete sich in diesem Jahr auf der Messe deutlich ab: Den Osten Deutschlands mit dem Fahrrad zu erkunden, ist groß im Kommen. Hagen Sommer, Geschäftsführer des Reiseveranstalters FeriDe, erläutert, warum das so ist.

taz: Herr Sommer, befindet sich das Urlaubsverhalten der Deutschen im Wandel?

Hagen Sommer: Man muss zwischen den langfristigen Trends und kurzfristigen Entwicklungen unterscheiden. Zum einen ist die Bundesrepublik nicht erst seit gestern das mit Abstand am häufigsten frequentierte Zielland deutscher Urlauber. Ferien im Inland sind nach wie vor ein auf hohem Niveau schnell wachsender Markt. Das ist allerdings auch auf Effekte zurückzuführen, die voraussichtlich nicht von langer Wirkung sein werden: Nach den Anschlägen vom 11. September etwa sind die Flugbuchungen drastisch zurückgegangen. Viele Menschen erholen sich nun in heimischen Gefilden, statt in ferne Regionen zu jetten.

Aber wegen der Anschläge in New York fährt Otto Normalurlauber doch nicht auf einmal Fahrrad?

Der Fahrradtourismus ist ein sehr großer, aber bislang wenig beachteter Bereich in der Tourismusbranche. Man sollte sich vor Augen halten, dass Fahrradfahren die wohl verbreitetste Freizeittätigkeit ist. In den vergangenen Jahren haben vor allem die Zweit- und Dritturlaube zugenommen. Man fährt für ein paar Tage oder ein verlängertes Wochenende weg, nicht allzu weit. Bei diesen Trips wird gerne das Fahrrad genutzt.

und die neuen Länder besucht?

Brandenburg und Mecklenburg sind ideale Ziele für den Urlaub auf dem Rad: keine Berge, dünn besiedelt, wenig befahrene Landstraßen, die noch nicht den zweifelhaften Charme einer Autobahn versprühen. Der Radwandertourismus ist nicht ohne Grund die beliebteste Art die neuen Länder zu erkunden. Mecklenburg-Vorpommern steht dabei ganz oben auf der Liste. Mittlerweile ist ja auch die touristische Infrastruktur vorhanden – und die ist in vielen Fällen moderner als in den alten Ländern. Der Mix stimmt einfach.

Wer sind die Leute, die sich im Urlaub aufs Rad schwingen und die Mark Brandenburg erkunden?

Das ist eine in der Regel gut situierte Klientel – übrigens auch ein Umstand, der sich bei den Anbietern noch nicht flächendeckend herumgesprochen hat. Der klassische Reiseradler ist 40 oder älter. Das geht hin bis zu den so genannten „aktiven Rentnern“. Die haben genügend Zeit für Urlaube und in der Regel auch ein Einkommen, das ihnen einiges erlaubt. Das Angebot für diese Leute spezialisiert sich mittlerweile zunehmend. Wir haben zum Beispiel ein kombiniertes Fahrrad-Schiff-Angebot auf der Müritz in Mecklenburg-Vorpommern.

Aber es sind doch nicht nur die Alten, die in die Pedale treten.

Die Jüngeren haben aber wieder häufig andere Interessen. Für viele der 30- bis 50-jährigen Velo-Freunde steht der sportliche Aspekt im Vordergrund. Die reisen zum Mountainbiking nach Thüringen oder in die Sächsische Schweiz. Ganz speziell ist das Angebot für Radsportler. Das können ganze Vereine oder auch Einzelpersonen sein, die sich etwa auf die kommende Rennrad-Saison vorbereiten. Von Radwerkstätten bis hin zu speziell zugeschnittenen Ernährungsprogrammen ist dabei alles inklusive. Solche Reisen gehen gerne nach Mallorca oder anderswo in den Süden. Aber das ist nur ein Nischensegment. Der große Markt, das sind die Radwanderer.

Sind Radwanderer überhaupt Pauschalurlauber?

Der Trend geht auf jeden Fall in diese Richtung. Nicht zuletzt geht das auch auf das Konto der Deutschen Bahn. Da der Service für Radfahrer auf der Schiene nach wie vor zu wünschen übrig lässt – Stichwort Fahrradabteile –, suchen die Leute sich jemanden, der sich um die entscheidenden Dinge kümmert. Transport von Rädern und Gepäck ins Hotel und wieder nach Hause, Tourbegleitung mit Bussen und entsprechendem Equipment: um solche Dinge kümmern wir uns bei Bedarf. Die Urlauber brauchen dann nur noch in die Pedale zu treten – und zu genießen.