Innovationen am Bodensee

Im Sommer speichern, im Winter nutzen: In Konstanz und Radolfzell setzen die dortigen Stadtwerke auf heimische Energieträger. Sie planen Biogasanlagen mit pfiffigen Wärmespeichern. Speichermedien sollen Granulat und Kies sein

Rund um den Bodensee läuft die Natur zur Höchstform auf – und liefert Biomasse von unterschiedlicher Art. Auf der Insel Mainau wachsen neben Orchideen auch Bananen und Feigen. Die Insel Reichenau hat sich mit 250 Hektar Anbaufläche längst das Prädikat „Gemüseinsel“ erworben, während unweit entfernt Obstwiesen und Weinberge die Landschaft prägen. Und am Rande der „Seemetropole“ Konstanz, im Naturschutzgebiet Wollmatinger Ried, sprießt auf 757 Hektar die Biomasse gar so üppig, dass es alljährlich beachtliche Mengen an Schnittgut zu entsorgen gilt.

Beste Konditionen also auch für die Bioenergie. Und so wollen nun gleich zwei Stadtwerke am badischen Bodenseeufer in jeweils eigenen Vergärungsanlagen überschüssige biogene Rohstoffe und Abfälle der Obst- und Gemüseverarbeitung energetisch verwerten. Beide Projekte werden die anfallende Wärme auf innovative Weise nutzen: Die Stadtwerke Konstanz planen, die Energie als Latentwärme in einem Granulat zu speichern, um damit einen „mobilen Wärmespeicher“ zu schaffen. Die Stadtwerke Radolfzell unterdessen wollen sommerliche Biowärme in einem unterirdischen Kiesspeicher für den Winter retten.

Die Stadtwerke Konstanz haben mit dem Bau ihrer Biogasanlage bereits begonnen. Da es in direkter Umgebung keinen Abnehmer für die anfallende Wärme gibt, suchte man einen Weg, die Wärme transportabel zu machen. Den fand man in einem Granulat aus Quarz und Aluminiumoxid, das künftig durch die Abwärme des Biogas-Blockheizkraftwerks getrocknet und auf diese Weise mit Energie angereichert wird. Kommt der Stoff wieder mit feuchter Luft in Kontakt, adsorbiert er den Wasserdampf, und setzt seine Energie in Form von Wärme wieder frei. Gegenüber anderen Sorbenzien wie Kieselgel habe das Alumosilikat den Vorteil, dass es bereits bei einer Temperatur um 60 Grad getrocknet werden könne, heißt es bei der Herstellerfirma Kronauer aus Wedemark bei Hannover. Jede Tonne Granulat gibt nach Angaben der Firma bei Kontakt mit einem feuchtegesättigten Luftstrom von 20 Grad Celsius 330 Kilowattstunden Wärme ab. Der Stoff sei über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren nutzbar und könne beliebig viele Zyklen durchlaufen, sagt Firmensprecher Martin Virnau.

Als Wärmekunden kommen in Konstanz zwei Hallenbäder in Frage, deren Heizungs- und Klimatechnik ohnehin überholt werden muss. Sie gelten als ideale Abnehmer der gespeicherten Bioenergie, weil das Granulat nicht nur Wärme liefert, sondern zugleich – was sehr erwünscht ist – auch die Raumluft entfeuchtet.

Das zugehörige Biogas-Blockheizkraftwerk wird eine elektrische Leistung von 150 Kilowatt und eine thermische Leistung von 270 Kilowatt haben. Als Rohstoff wird zum einen Schnittgut aus dem angrenzenden Biotop Wollmatinger Ried angeliefert: „Das Gelände muss gepflegt werden, und das Schnittgut wollte niemand“, sagt Stadtwerke-Sprecher Franz Leinweber.

Darüber hinaus wird man Trester einer örtlichen Fruchtsaftfabrik verwerten sowie Reste aus einem Betrieb der Lebensmittelverarbeitung. Zudem habe man bereits erste Verträge mit Landwirten unterzeichnet, die Gras anliefern werden. Leinweber freut sich schon: Der Strom der Anlage – etwa 900.000 Kilowattstunden jährlich – sei „eine ganz tolle Abrundung unseres Ökostrom-Angebotes SeeEnergie“.

Unterdessen planen nur 30 Kilometer entfernt auch die Stadtwerke Radolfzell ein innovatives Bioenergie-Projekt: das bundesweit erste Biogas-Blockheizkraftwerk mit saisonalem Erdwärmespeicher. Bislang kennt man solche Speicher nur für Solarwärme – etwa in Neckarsulm und Friedrichshafen.

Die Biogasanlage in Radolfzell soll neben Gras- und Grünschnitt der Stadtgärtnerei auch die Gülle von mehreren landwirtschaftlichen Betrieben mit jeweils etwa 100 Großvieheinheiten verwerten. Zudem planen die Landwirte die Vergärung von Silomais, wodurch die Wirtschaftlichkeit verbessert werde, wie Karl Riegger, einer der beteiligten Landwirte, sagt. Im Winter wird man die Wärme des Kraftwerkes in einem nahe gelegenen Wohngebiet komplett als Raumwärme nutzen können. Im Sommer aber wird Überschuss anfallen, der in einem Erdwärmespeicher für den Winter gesichert werden soll.

Der Speicher soll 5.000 Kubikmeter umfassen und mit Kies und Wasser gefüllt werden. Zwar kann Gestein weniger Wärme speichern, als es das Wasser vermag, doch im Vergleich zu einem reinen Wasserspeicher ist der Kies-Wasser-Speicher einfacher umzusetzen, da der Kies ihm Stabilität verleiht. „Wir brauchen dann keine tragende Hülle“, sagt Projektleiter Helmut Böhnisch vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart.

Etwa 300.000 Kilowattstunden Wärme – so viel, wie in 30.000 Litern Heizöl steckt – soll der Speicher aufnehmen können. „Wir rechnen damit, 75 bis 80 Prozent der Wärme, die wir im Sommer einspeichern, im Winter wieder entnehmen zu können“, sagt Markus Pfeil, planender Ingenieur aus Stuttgart. Der Speicher soll bei einem Wärmeüberschuss des Kraftwerkes bis auf maximal 85 Grad aufgeheizt werden. Im Unterschied zu einem Erdsondenspeicher, wie man ihn im württembergischen Neckarsulm seit mehreren Jahren für Sonnenenergie nutzt, sei der Kies-Wasser-Speicher unabhängig von der örtlichen Geologie realisierbar, erläutert Pfeil.

BERNWARD JANZING