: Fußball killt Fernsehen killt Fußball
Der TV-Sender ITV Digital steht vor dem Aus. Großbritannien sorgt sich, und Murdoch könnte Monopolist werden
Großbritanniens digitaler terrestrischer Fernsehsender ITV Digital, der 1998 mit großer Werbekampagne auf Sendung ging, steht vorm Bankrott. Das Unternehmen hat in diesen vier Jahren 800 Millionen Pfund Verlust gemacht. Die Fernsehgesellschaften Carlton und Granada, denen ITV Digital gehört, wollen den Sender bis zum 15. April finanzieren. Danach wird abgeschaltet – wenn es nicht gelingt, die Fußballclubs herunterzuhandeln.
Im Juni 2000 hat ITV Digital einen Vertrag in Höhe von 315 Millionen Pfund im Jahr mit den Vereinen der ersten bis dritten Liga abgeschlossen. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um die zweite bis vierte Liga, denn die höchste Spielklasse heißt premier league – die Übertragungsrechte dafür liegen jedoch bei der Konkurrenz von British Sky Broadcasting, dem Satellitensender des australischen Medienzaren Rupert Murdoch.
Murdochs Freude über den Zusammenbruch des Konkurrenten ist aber nicht ungetrübt, da ITV Digital auch Skys Sportkanäle angeboten hat, was Murdochs Unternehmen 60 Millionen Pfund im Jahr einbrachte.
Es ist der Vertrag mit den unterklassigen Fußball-Ligen, der ITV Digital nun an den Rand des Konkurses getrieben hat. Freiwillig werden die Vereine nicht auf einen Penny verzichten, sie haben bereits gerichtliche Schritte angekündigt. Der Ligavorsitzende Keith Harris sagte: „Die Aktion von Carlton und Granada bedroht die Existenz des Profifußballs in diesem Land, und das hätte verheerende Folgen für viele kleinere Gemeinden.“
Geldquelle der Clubs
Je nach Liga erhalten die Vereine zwischen 400.000 und drei Millionen Pfund im Jahr. Versiegt diese Geldquelle, gehen bis zu 30 Clubs Pleite, denn das Geld ist längst ausgegeben, bevor es überhaupt bezahlt ist. Sämtliche englischen Proficlubs sind finanziell von den Fernsehrechten abhängig, um die astronomischen Transfergebühren und Gehälter der Spieler zahlen zu können. Der frühere Sportminister Tony Banks sagte: „Der Profifußball steckt in der größten Krise seiner Geschichte.“
Ein weiteres Problem für ITV Digital sind die gefälschten Karten, mit denen Piraten das ITV-Signal kostenlos entschlüsseln können. Eine von Murdochs Firmen ist in Kalifornien auf eine Milliarde Dollar Schadensersatz verklagt worden, weil sie den Zugangskode des französischen Canal + im Internet verbreitet haben soll. Dieser Kode wird auch von anderen Sendern in den USA und Europa benutzt, darunter ITV Digital. Das Unternehmen schätzt, dass in Großbritannien mehr als 100.000 gefälschte Karten in Umlauf sind.
Katastrophe für BBC
Für die britische Regierung wäre der Untergang von ITV Digital eine Katastrophe. Man hatte eigentlich geplant, zwischen 2006 und 2010 sämtliche analogen Sender abzuschalten, um die Bevölkerung zum Umstieg auf digitales Fernsehen zu zwingen. Bisher sehen bereits 40 Prozent der Haushalte digital fern, ITV Digital hat 1,2 Millionen Kunden, bei Sky sind es sechs Millionen. Besonders für die BBC wird das Ende des analogen Fernsehens katastrophale Folgen haben, weil der Staatssender nicht ins digitale Fernsehen investiert und dann von privaten Medienriesen abhängig ist, um die BBC-Programme über Kabel, terrestrisches digitales Signal oder über Satellit senden zu können.
Auch das Kabelfernsehunternehmen NTL, ein weiterer Konkurrent Murdochs, steckt finanziell in der Klemme. Die Manager verhandeln zurzeit mit den Banken, um die Kredite von zwölf Milliarden Pfund umzuschulden, doch die Zeit läuft davon: Der Schuldendienst kostet vier Millionen Pfund täglich. Da nützt es wenig, dass NTL in den vergangenen zwölf Monaten ein Drittel seiner Arbeitskräfte – 7.000 Menschen – entlassen hat. Muss auch NTL aufgeben, hat Murdoch beim Digitalfernsehen eine Monopolstellung in Großbritannien. RALF SOTSCHECK
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