Das Publikum muss Memphis lernen

■ „Im Ballhaus“: Das Theater N.N. lässt 40 Jahre Tanztee Revue passieren

Die Farbeimer sind weggeräumt. Das neue Theater N.N. in Eimsbüttel ist fertig. Parallel zu den Renovierungsarbeiten hat Theaterleiter Dieter Seidel mit seinem Ensemble ein Stück erarbeitet, das die Vorgeschichte der Spielstätte als Tanzetablissement aufnimmt. Im Ballhaus heißt das Produkt, das am Ostersamstag Premiere feierte.

Der Anfang des Theaterstücks ist fließend. Geschickt nutzt Regisseur Dieter Seidel die Zuschauer als Statisten. Sie sitzen an kleinen Tischen rund um das Tanzparkett und lassen so ganz zwanglos die Atmosphäre eines Tanztees entstehen. Das Licht wird schummrig, das erste Lied ertönt. Man beginnt zu tanzen. Plötzlich sammelt Marie, die Kellnerin und Gelegenheitstanzlehrerin, 50 Pfennig ein. Dafür bringt sie den Tanzwütigen den „Memphis“, Modetanz der sechziger Jahre, bei. Diese Einschübe durchziehen den Theaterabend. Barkeeper Sammy und Marie sind die einzigen konstanten Figuren. Ansonsten herrscht ein Kommen und Gehen von Charakteren, die die Geschichte eines Ballhauses von 1960 bis 1999 spiegeln sollen. Leider bleiben die Bezüge zum Zeitgeist oft oberflächlich. Schon der Memphis endet in einem hektischen Gerede über „Hottentottenmusik“. Das geht alles ein bisschen durcheinander, gerade wenn dann noch das Stichwort „entartete Musik“ fällt.

Später wird noch das Thema Homo-Ehe mit dem Durchhecheln bekannter Stereotypen ähnlich abgehandelt. Bei anderen Episoden gelingt es besser, zeitgeschichtliche Ereignisse mit dem persönlichen Schicksal der Ballhausgäste zu verknüpfen: Eine Schauspielerin ist nach Hamburg gekommen, um bei Gustav Gründgens zu spielen. Die Nachricht von seinem Tod lässt die Mimin traurig zurück. In solch ruhigen Momenten kommen Emotionen ins Spiel, die berühren.

Wo aber sonst die Frische der aus Improvisationen gewonnenen Stücke die Stärke der Theatertruppe um Dieter Seidel ist, wirken die Episoden bei Im Ballhaus nicht ausgereift genug. Eine andere Qualität des Theater N.N. tritt auch diesmal hervor: Die Zuschauer sind nah dran. So kann man dem Barkeeper über die Schulter schauen. Von Nahem sind auch die Profilierungsversuche der männlichen Ballhäusler zu bestaunen, sich am Moonwalk eines Michael Jackson zu versuchen. In Erinnerung schwelgen kann man angesichts der musikalischen und tänzerischen Rückschau allemal.

Christian Rubinstein

weitere Vorstellungen: 11.-14. April; 18.-21. April, jeweils 20 Uhr, Theater N.N., Hellkamp 68