Flüchtlingsflucht vor Gericht

In Australien hat die Befreiung internierter Asylbewerber aus dem berüchtigten Lager Woomera durch Demonstranten ein gerichtliches Nachspiel. Nach 14 Flüchtlingen wird weiter gefahndet

aus Melbourne BORIS B. BEHRSING

„Lasst sie frei,“ riefen Demonstranten gestern vor dem Magistratsgericht der südaustralischen Hauptstadt Adelaide. Dort begannen die Verhandlungen gegen 30 Asylbewerber, die Ostern aus dem Wüstengefängnis Woomera ausgebrochen und kurz darauf von der Polizei eingefangen worden waren. Jetzt müssen sie mit Gefängnis von bis zu vier Jahren und anschließender Deportation rechnen. Die Hauptverhandlung wurde für den 31. Mai angesetzt. Bis dahin geht es zurück ins Internierungslager Woomera, in dem das Leben „jede Nacht und jeden Tag tötet,“ wie der Afghane Norozi im Fernsehen erklärte.

Die in Handschellen vorgeführten Asylbewerber gehören zu 50 Woomera-Insassen, die am Karfreitag beim Sturm von etwa 1.000 Demonstranten auf das Lager befreit worden waren. 14 Geflohene werden von der Polizei noch gesucht. Nach Polizeiangaben irren sie in der heißen Wüste umher. Demonstranten erklärten jedoch, die Flüchtigen seien bei Sympathisanten in Sicherheit gebracht worden. Einwanderungsminister Philip Ruddock warnte gestern, wer geflohene Asylbewerber aufnehme, dem drohten zehn Jahre Gefängnis.

2.000 Australier hatten über Ostern in Woomera gegen die obligatorische Internierung so genannter illegaler Einwanderer protestiert. Selbst der konservative Exministerpräsident Malcom Fraser bezeichnete Woomera als „Höllenloch“. Während des Protests rissen Demonstranten Stacheldrahtzäune des Lagers nieder und bogen Gitterstäbe auseinander. Diese Möglichkeit zur Flucht nutzten vor allem die Insassen, deren Asylanträge abgewiesen worden waren und denen Deportation droht.

Während des Protests kam es zur Gewalt zwischen Wächtern sowie Demonstranten und Insassen. Erst die südaustralische Polizei, vor allem ihre berittene Truppe, brachte die Lage wieder unter Kontrolle. Südaustraliens neue Labor-Regierung hatte ihre von den südaustralischen Steuerzahlern bezahlte Polizei zunächst einmal abwarten lassen. Erst nach einem Notruf der Lagerleitung bekam die Polizei den Einsatzbefehl. Woomera untersteht der Bundesregierung, und Südaustraliens Regierung will jetzt Canberrra die Dienstleistung der Polizei in Rechnung stellen. Dafür wirft Einwanderungsminister Ruddock Südaustralien vor, die Polizei habe zu spät eingegriffen.

Verhaftet wurde auch eine unbekannte Zahl Demonstranten. Weitere Haftbefehle drohen nach Auswertung von Polizeivideos. Die Bundesregierung kündigte eine Untersuchung an. Premier John Howard reibt sich die Hände: „Solche Protestaktionen stärken nur die Unterstützung in der Bevölkerung für unsere Politik gegenüber den Bootsflüchtlingen.“ Kürzlich sprachen sich in einer Meinumgsumfrage des Multikulti-Senders SBS 66 Prozent für Howards harten Kurs gegenüber Flüchtlingen aus. Die Boat-People, die die Mehrheit der Asylbewerber stellen, sind bei der Bevölkerung des Einwanderungslandes nicht sehr beliebt. Dazu tragen Kämpfe rivalisierender asiatischer Banden bei.