Druck durch Verzögerung

IWF-Delegation lässt sich in Argentinien viel Zeit und verunsichert so die Regierung. Mit Erfolg: Die Maßnahmen des Präsidenten entsprechen weitgehend IWF-Forderungen

BUENOS AIRES taz ■ Es ist ein Kampf gegen die Uhr. Die argentinische Regierung will so schnell wie möglich ein Hilfspaket mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) unter Dach und Fach bringen, um das Land aus der wirtschaftlichen Blockadesituation herauszuführen. Mindestens 20 Milliarden US-Dollar seien hierfür nötig, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Doch die IWF-Funktionäre lassen sich Zeit. Vor Mai, so ein Sprecher, sei nicht mit einem Finanzpaket zu rechnen.

Der argentinische Präsident Eduardo Duhalde sagte dieser Tage, ihm drohe der Sturz, wenn nicht bald Geld von außen komme. Damit würde Argentinien wieder ins Chaos zurückfallen. Aber offenbar ist der IWF bereit, dieses Risiko in Kauf zu nehmen – obwohl man sich in Washington mit der Arbeit des Präsidenten zufrieden zeigt.

Seit Montag hat sich eine weitere IWF-Delegation in Buenos Aires eingerichtet, die zwei Wochen lang die Bücher durchgehen wird, um das Abkommen zwischen der argentinischen Regierung und dem IWF vorzubereiten. Wie das Hilfspaket aussehen soll, wird der IWF aber frühestens am 20. April bei seiner Frühjahrstagung entscheiden. Die Ökonomen verlangen von der argentinischen Regierung Zusagen und einen genauen Fahrplan für wirtschaftliche Reformen. Wenn beides unterzeichnet sei, so US-Finanzminister Paul O’Neil, „kann der IWF Argentinien wieder Geld schicken“.

Zur Begrüßung der IWF-Delegation hatte Duhalde mit einem Maßnahmenbündel ganz nach dem Geschmack seiner Gäste aufwarten können. Noch in dieser Woche, so versprach er, werde er Gesetze im Kongress vorlegen, die der IWF schon lange gefordert habe. So soll die Exportsteuer bis zu 20 Prozent erhöht werden und die Regierung garantieren, dass die Landeswährung Peso gegenüber dem Dollar weiter frei schwanken darf. Der IWF drängt außerdem darauf, dass die argentinische Zentralbank nur in Ausnahmefällen in den Geldmarkt eingreift. Duhalde wird ein Gesetz überarbeiten, nach dem in den vergangenen Wochen Prozesse gegen zahlreiche Banker angestrengt wurden, die verdächtigt wurden, illegal Gelder außer Landes zu schaffen.

Ein Streitpunkt aber bleibt zwischen IWF und Regierung bestehen: die Ersatzwährungen. Zwar haben Regierung und Provinzen bereits beschlossen, die bunten Schuldscheine aus dem Verkehr zu ziehen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Gegenwärtig sind Papiere in Höhe von 5,2 Milliarden Pesos im Umlauf – fast die Hälfte der Geldumlaufmenge vom Februar. Würden sie alle aus dem Verkehr gezogen, müsste die Zentralbank Geld drucken und damit möglicherweise die Inflation anheizen.

Ungehalten zeigt sich der IWF auch darüber, dass Duhalde die Abtragung der 151,8 Milliarden Dollar Schulden noch nicht angehen will. Vergangene Woche hat Argentinien zwar eine Rate in Höhe von 60 Millionen Dollar an den IWF überwiesen – allerdings mehr als symbolische Geste. Duhalde will erst nach IWF-Hilfen über die Umstrukturierung der Schulden verhandeln.

Um die Wirtschaft wieder in die Gänge zu kriegen, braucht Duhalde dringend frisches Geld. Während die Preise im März nach Schätzungen von Verbraucherverbänden als Folge der Peso-Abwertung im Durchschnitt um 14 Prozent gestiegen sind, sinken weiterhin die Löhne, auch die Kaufkraft nimmt ab. Der IWF drängt auf klassische liberale Anti-Krisen-Medizin und darauf, die staatlichen Ausgaben radikal zu kürzen. Gegen die „Diktatur des IWF“ rät der französische Ökonom Pierre Salama, der derzeit in Buenos Aires zu Gast ist, den staatlichen Sektor zu stärken und die Ausgaben zu erhöhen, um die Konjunktur anzukurbeln. INGO MALCHER