Schnell, hoch, weit

■ Sympathieträger im bundesdeutschen Crossover: Such a Surge feiern ihr zehnjähriges Bestehen

„Geh dir doch einfach noch ein Bier holen, wenn's dir nicht gefällt!“ Leicht belustigt zeigt Such a Surge-Sänger Oli auf einen jungen Mann vorne im Publikum auf der Hamburger Trabrennbahn, der genervt das Ende der Vorband herbeibrüllen will. Dabei hüpft ein großer Teil des Publikums begeistert mit oder ist doch zumindest neugierig. Und vertreibt sich mit dieser scheinbar so unpassenden Band die Zeit, bis Herbert Grönemeyer die Bühne für seine „Bleibt alles anders“-Tournee entern wird. „Wir sind wohl die einzige deutsche Band, die sowohl mit Grönemeyer als auch mit Slayer spielen kann“, amüsierte sich Axel Horn, Bassist und Manager von Such a Surge einmal.

Sechs Jahre lagen da bereits hinter der Band, und angefangen hatte alles ganz klassisch: in den dunklen Proberäumen im Braunschweiger Schimmelhof-Areal, einem verwinkelten Industriekomplex, in dem zig Bands mehr oder weniger hoffnungsvoll musizieren. Es wurde über Bühnen getingelt, New Born Family nannte sich damals der familiäre Zusammenschluss von Bands und Musikern, allesamt begeistert auf der ersten Welle des deutschen HipHop reitend. Als Urknall der Band Such a Surge wird dann offiziell der Sampler That's Real Underground von 1992 benannt. Zum anfangs regionalen Renner wird gleich danach ihre erste EP Gegen den Strom.

Die Musikindustrie wird aufmerksam. Begierig scheint man nach deutschen Pendants zur großen Welle des Ami-Crossover zu suchen – und Such a Surge sind plötzlich Hoffnungsträger. Live im Fernsehen unterzeichnen sie ihren Plattenvertrag beim Major Sony – eine Peinlichkeit, denkt Axel heute zurück. Doch das Debüt Under Pressure mit „Schatten“ wird 1995 zum Hitalbum, und die Teenie-Postillen lieben die fünf wilden, trendigen Jungs mit den tätowierten Oberarmen. Das macht nicht nur Spaß. „In diesem Business schwimmst du mit den Haien“, erkennen sie schnell.

Bittet man sie daher auf die nun vergangenen zehn Jahre zurückzublicken, erklärt die Band ihr Nachfolgealbum zur wichtigsten Entscheidung. Agoraphobic Notes erscheint, als Kurt Cobain längst in seinem Garagenhaus lag. „Kopf sauber weggeschossen“ und mit ihm auch der gewaltige Boom der Gitarrenhelden. In den schwindenden Trend setzen Such a Surge ihr „Verarbeitungsalbum“, so sperrig wie unzugänglich. Doch eigentlich fängt erst hier das Bemerkenswerte an der Saga der Niedersachsen an.

Denn alle Indizien sprachen ja für den siechenden Niedergang nach kurzem Erfolg: Keine Hits, wenig Verkäufe, keine Presse. Nur eins fiel aus dem so vertrauten Bild von One-Hit-Wonder-Bands he-raus: Der Zuspruch bei jeglichem Konzert. Die Live-Gigs zeigten und zeigen noch immer deutlich, wie gut es um die Band bestellt ist. Grinsend konnte man auf springendes Publikum schauen und allerleipessimistische Prognosen über die Zukunft der Band zumindest in diesen Augenblicken getrost vergessen.

Mit ihren Hardcore-Alter-Ego Pain In The Ass begleiten sie sich dann als eigene Vorgruppe. „Wir sind wie Sand im Getriebe, genau so muss es sein.“ Zurückgelehnt werden 1998 Was Besonderes und vor zwei Jahren der Surge Effekt aufgenommen. Auf Festivals werden die großen Bühnen bespielt.

Charmant wird es, wenn die fünf Jungs jetzt zum Jubiläum zurückdenken sollen, gefragt nach den letzten zehn Jahren: Dann bekommt man das übliche Musikergewäsch zu hören, von wegen keine Schublade, keine Trends, böse Plattenindustrie etc. pp. – doch erzählen sie davon mit solch bubenhafter Ehrlichkeit, das es kaum unsympathisch sein kann. Und der Grund für den Erfolg, sagen sie, ist schlichte „Leidenschaft“.

Genau die scheint sie weiterzutreiben. Im Januar haben sie die „Laut gegen rechte Gewalt“-Tour durch den Osten der Republik angeführt. Eine Best-Of-Doppel-CD ist auf dem Markt. Es folgt die Arbeit an Album Nummer fünf. Stabil steht er da, der Surge-Baum, wie es die Band manchmal ausdrückt, mit all seinen Solo-Ästen. Und einer Band, die heute vitaler denn je erscheint. Oder wie es ausgerechnet der Security-Chef der Toten Hosen ausdrückte: „Such a Surge live ist wie die Bundesjugendspiele – hoch springen, weit werfen, schnell laufen.“ Volker Peschel

mit Revolver und Ampersand: Freitag, 21 Uhr, Markthalle