Wochenmarkt statt Weltmarkt

■ Mit einer Zweitwährung will ein Verein die regionale Wirtschaft stärken. 14 Betriebe nehmen den „Roland“ an. Der Gag: Wer ihn nicht ausgibt, wird bestraft

Der Roland geht um – von Hand zu Hand, von Kasse zu Kasse. Die Zweitwährung für die Region, vom Bremer Verein „Roland Regional“ in Form von Gutscheinen seit Oktober letzten Jahres in Umlauf gebracht, wird inzwischen von 14 Betrieben und Händlern in Bremen und umzu akzeptiert – vom Biobauern bis zur Buchhandlung, von der Monatszeitung bis zum Weinhändler, vom Baustoffhändler bis zur Kunstgraphik-Handlung. Roland-Mitinitiator Manfred Steinbach: „Wir wollen einen regionalen Wirtschaftskreislauf schaffen.“

Der Gag an der Idee: Geld horten lohnt sich hier nicht. Denn im Gegensatz zum Euro etwa, der Zinsen bringt, wenn er auf dem Sparbuch liegt, wird beim Roland eine „Benutzungsgebühr“ fällig. „Das ist wie beim Gemüse“, erklärt Götz Paschen, Zeitungsverleger in Ottersberg und einer der Fans der regionalen Schwundwährung: „Das vergammelt auch, wenn es herumliegt.“ Fünf Roland gleich fünf Euro galt noch im Januar, im April sind die Roland-Gutscheine schon nur noch 4,85 Euro wert. Dank der eingebauten Wertminderung, so die Idee, soll das Lokal-Geld ständig in Umlauf bleiben – mithin die beste Wirtschaftsförderung. „Damit kann man auch FDP-Leuten imponieren“, sagt Paschen stolz.

In Zukunft soll auch der Rücktausch von Roland in Euro durch einen mehrprozentigen Abschlag unattraktiv werden – das „Geld“ soll möglichst kontinuierlich innerhalb des Roland-Gutscheinrings zirkulieren. Zuvor müssen jedoch noch mehr Produzenten und Händler die neue Währung akzeptieren. „Der Kreis ist noch nicht rund“, gibt Dietlind Rinke von „Roland Regional“ zu. Dringend gesucht werden insbesondere Handwerker, die ihre Dienste gegen Roland anbieten. Die von der „Schwundwährung“ zu überzeugen ist jedoch schwierig. „Man muss die Leute erst davon begeistern, ein Geld zu benutzen, das weniger Wert wird“, spricht Paschen aus Erfahrung. Vorteile kann der Händler trotzdem haben. Paschen: „Das ist auch eine Methode der Kundenbindung.“

Großes Vorbild für die segensreichen Wirkungen von Lokalwährungen mit eingebautem Wertverlust ist die Kleinstadt Wörgl in Tirol. Als dort zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise 1932 die Zinsen horrende Höhen annahmen und das Geld knapp wurde, schuf der Bürgermeister der 4000-Seelen-Gemeinde flugs eine eigene Währung – mit „Schwund“: Um den Wert der ausgegebenen „Geldscheine“ zu erhalten, mussten monatlich kostenpflichtige Wertmarken aufgeklebt werden. Der Erfolg war beträchtlich: Die schnell zirkulierende Lokalwährung wurde bald auch im Umland als Tauschmittel verwendet, und während die Arbeitslosigkeit in Österreich um zehn Prozent stieg, nahm sie in Wörgl um 25 Prozent ab. Ein ähnliches Experiment hatte drei Jahre zuvor im Bayerischen Wald für Aufsehen gesorgt. Die Notgeldverordnung von 1931 setzte dem Freigeld-Treiben ein Ende.

Auch heute noch ist das Inverkehrbringen einer eigenen Währung nur bei einem räumlich und personell überschaubaren Personenkreis gestattet. Die Bremer Roland-Fans – bisher gut 30 Personen – haben sich daher im sogenannten „Roland-Gutscheinring“ zusammengeschlossen. Etwa 200 der auf dünnes Plastik gedruckten und einzeln nummerierten „Geldscheine“ im Wert von je fünf Roland sind zur Zeit in Umlauf, weitere 800 liegen zum Einsatz bereit. Die gegen Roland eingetauschten Euro will der Gutscheinring Biobauern aus der Umgebung oder Händlern als zinslose Kredite zur Verfügung stellen. „Im schlimmsten Fall haben wir dann eine Gemüselieferung gut bei denen“, erklärt Paschen die „Goldreserve“ der Lokalwährung.

Zinsen, so sind die VerfechterInnen der Schwundwährungen überzeugt, stünden nachhaltigem Wirtschaften entgegen, weil sie kurzfristiges Denken profitabel machten. Aus diesem Grund plädiert inzwischen selbst der langjährige Chef der belgischen Zentralbank und einer der Väter des Euro, Bernard Lietaer, für lokale Zweitwährungen – ohne oder sogar mit „negativen“ Zinsen. Zur Stabilitätssicherung träumt Lietaer von einer globalen Referenzwährung, den „Terra“. Auch dieser sollten seiner Meinung nach mit einer „Nachhaltigkeitsgebühr“ belegt werden.

Für Zeitungsverleger Paschen steht indes vor allem die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe im Vordergrund. Mit Blick auf die globalisierungskritische Bewegung betont er: „Wir setzen genau das um, was die immer fordern.“ Er hat noch einen ganz anderen Effekt des Schwundgeldes ausgemacht. Weil dieses nämlich mit der Zeit an Wert verliere, habe auch niemand Interesse daran, möglichst viel davon zu verdienen. Paschen: „Jeder arbeitet nur noch so viel, dass er das verdient, was er wirklich braucht.“

hoi

Informationen zum Roland-Gutscheinring gibt es unter Tel.: 491 52 09