„Da ist eine sehr positive Neugier“

Politische Proteste im Internet sind so alt wie das Netz selbst. Aber jetzt hat der Chaos Computer Club die Straße wiederentdeckt: Er ruft zur Demonstration für die Informationsfreiheit vor dem Regierungspräsidium in Düsseldorf auf

Interview MONIKA GROSCHE

taz: Was treibt einen Hacker auf die Straße?

Ingo Schwitters, Mitglied im Chaos Computer Club: Das ist ganz einfach. Es gab ja speziell zu dieser Zensurproblematik bisher schon sehr erfolgreiche Protestaktionen im Netz, die wir sehr gut finden und bei denen wir auch immer dabei waren. Aber jetzt wird es dennoch mal Zeit, das Netz zu verlassen und den Protest dorthin zu tragen, wo er eigentlich hingehört – nämlich direkt auf die Straße, vor die Haustür der Bezirksregierung. Es geht darum, Öffentlichkeit zu schaffen, denn bisher waren wir da ein wenig unterrepräsentiert. Wir sind zwar eigentlich recht bekannt in der Netzszene, möchten aber, dass man sich auch in der realen Welt noch ein wenig mehr mit uns beschäftigt. Wir wollen die ganze Thematik auf die gesellschaftliche Ebene heben – und das Netz ist eben nur ein Teil der Gesellschaft.

Eigentlich haben wir es vom Chaos Computer Club immer anders gehört. Das Netz sollte mindstens ein Spiegel der Geselleschaft sein, wenn nicht sogar mehr, nämlich der Raum, in dem sich alle viel wirksamer zu Wort melden können als in allen anderen Medien. Stimmt das plötzlich nicht mehr?

Bei uns intern waren natürlich schon einige sehr überrascht und meinten: „Huch, zum ersten Mal auf die Straße!“ Das ist wirklich ein Novum. Aber da ist doch eine sehr positive Neugier, eigentlich sind alle voll dabei. Auch außerhalb des Clubs war das Echo sehr gut, ich denke, weil auch die Öffentlichkeit gespannt ist auf die Demo. Den CCC kennt man ja schon, aber eine Demo, das hat's bisher noch nicht gegeben, und da ist doch eine gewisse Neugier spürbar.

Wie fühlt sich das an, jetzt plötzlich zu Fuß zu gehen?

Ich war schon mal auf einer Demonstration, aber nicht in den Zusammenhängen, die sich mit Computerthematik beschäftigen, das ist absolutes Neuland. Natürlich ist es auch für mich persönlich sehr spannend, jetzt bei der Organisation einer Demo dabei zu sein, gar keine Frage. Ein aufregendes Erlebnis, das muss ich schon sagen.

Andere politische Gruppen haben auf diesem Gebiet sicher mehr Erfahrung.

Ja, das meiste an Arbeit ist sicherlich eine Kombination aus Pressearbeit und Kontakthalten zu anderen Organisationen, die mit zur Demo aufrufen. Kann man ja auf unseren Webseiten sehen, dass es immer mehr Unterstützer werden. Mittlerweile sind nicht nur Teile der SPD, sondern auch Grüne und ein paar von der PDS mit dabei, aber auch nichtpolitische Organisationen aus dem Netzbereich oder etwa der Schriftstellerverband.

Gleichzeitig ist natürlich auch die Demoorganisation selbst wichtig, Flyer drucken, anmelden bei der Polizei, Lkws mieten, Rednerliste: Wer hält eine Rede und wann. Megafon besorgen … All das kommt zusammen. Diese rein organisatorische Sachen kosten sehr viel Arbeit, aber da helfen andere Gruppen, wie zum Beispiel die Freie Arbeiter Union (FAU) mit. Es gibt aber auch eine Beteiligung von Leuten, wie die von „odem.org“, die bereits Erfahrung mit Onlinedemonstrationen haben. Sie haben eine Unterschriftenliste mit bis dato fast 5.000 Unterschriften auf die Beine gestellt. Ein Zwischenergebnis werden wir mit einem ellenlangen Ausdruck auf der Demo präsentieren. Der eigentliche Abgabeschluss ist aber erst im Sommer.

Was steht auf den Transparenten?

Selbstverständlich haben wir Transparente gemalt – zu einer richtigen Demo gehören die doch mit dazu! Und Slogans werden wir auch ein paar präsentieren. Mir fällt da ein: „Wegfiltern ist Wegschauen“. Oder: „Nazis – aus den Augen, aus dem Sinn?“ Damit wollen wir darauf aufmerksam machen, dass Nazis eben nicht durch eine technische Maßnahme verschwinden. Außerdem gibt’s eine Hackparade. Da werden dann Nerds auf Lkws im Demozug mitfahren – vermutlich mit zugeklebten Mündern – und tun, was sie immer tun: hacken. Uns sind ein paar spaßige und kreative Aktionen eingefallen, ihr werdet schon sehen!

Auch eine richtige Abschlusskundgebung ist geplant.

Ja, wir werden um 14 Uhr starten, und zwar am Gustaf-Gründgens-Platz vor dem Schauspielhaus. Wir werden dann durch die Innenstadt ziehen, ein Stück die Kö entlang und am Schlossturm vorbei. Kann sein, dass es da eine Zwischenkundgebung gibt. Danach geht's am Rheinufer weiter bis zur Bezirksregierung, und dort werden wir die restlichen Reden halten.

Wird der Platz voll?

Bei der Polizei habe ich jetzt 300 bis 400 Teilnehmer angegeben. Aber da wir von dem gewaltigen Medienecho positiv überrascht wurden, könnte es durchaus sein, dass es doch mehr werden. Das ist ganz schwer abzuschätzen, weil bisher noch niemand versucht hat, Computernerds auf die Straße zu bringen. Aber ich denke, die 400 kriegen wir schon hin.

Und wenn die Demo nichts bewirkt bei der Landesregierung?

Wir werden danach nicht aufhören – aber das muss man dann im Einzelnen sehen. Vor allem würden wir uns eine noch breitere Diskussion mit den Medien wünschen, um auf diese Weise noch mehr Öffentlichkeit für das Thema zu schaffen. Ihr könnt davon ausgehen, dass uns noch andere vielfältige Protestmöglichkeiten einfallen, da will ich jetzt aber nicht vorgreifen. Jetzt kommt erst mal die Demo und da freu ich mich drauf.

Weitere Informationen zur Demo unter: www.netzzensur.de