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Unsinn mit politischen Folgen

Unterschriftenliste gegen die Sperrung von Naziseiten: „Gesellschaftlicher Rückschritt“

Am Samstag will der Chaos Computer Club (CCC) mal wieder Internetgeschichte schreiben: Die Hacker haben zu Pinsel, Farbe und Pappe gegriffen, denn sie rufen auf zu einer Demonstration in der City von Düsseldorf. Anlass ist die Verfügung des Regierungspräsidenten Jürgen Büssow, die Provider in Nordrhein-Westfalen verpflichtet, ihren Kunden den Zugriff auf zwei rechtsradikale Websites auf Servern in den USA zu verwehren.

Über die technische Nutzlosigkeit der Verfügung, die seit dem 8. Februar in Kraft ist, können die betroffenen Provider wie alle Internetexperten nur mitleidig den Kopf schütteln. Mit mäßiger Sachkenntnis lässt sich das, was die Landesregierung angeordent hat, umgehen. Was den Netzaktivisten Sorge bereitet, sind die politischen Folgen. Alvar C. Freude, der mit seiner Website www.odem.org schon länger versucht, das Internet als Instrument politischer Demonstration zu nutzen, hat eine Unterschriftenliste online eröffnet (www.odem.org/informationsfreiheit). Die möglicherweise gut gemeinte Maßnahme sei ein „gesellschaftlicher Rückschritt“, heißt es in der Erklärung, die inzwischen etwa 5.000 Unterschriften trägt. Statt eine „technisch neutrale Infrastruktur“ zu behindern, solle die Regierung gegen die „Urheber“ vorgehen: „Setzen wir uns mit dem Problem auseinander, anstatt es auszublenden!“

Konkreter fordert der Aufruf zur Demonstration nicht nur die Rücknahme der Sperrverfügung, sondern gleich den Rücktritt des verantwortlichen Regierungspräsidenten. Der Aufruf wird von Vertretern des Schriftstellerverbandes und Organisationen wie Reporter ohne Grenzen unterstützt, und auch der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss, medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, meldet sich zu Wort: Die Düsseldorfer Anordnung sei „in politischer Perspektive fehlgeleitet und in rechtlicher Sicht unhaltbar“.

Angesichts des öffentlichen Drucks musste auch Jürgen Büssow in einem Gespräch mit zwei Vertretern des Chaos Computer Clubs eingestehen, dass er mit der Sperre von Internetseiten niemanden vor bestimmten politischen Richtungen bewahren könne. Dennoch wies er, auf die fragliche rechtliche Basis seines Vorgehens angesprochen, erneut darauf hin, dass darüber letztlich vor Gericht entschieden werden müsse. Da bereits mehrere Provider gegen die Verfügung Widerspruch eingelegt haben sollen, darf man auf das Ergebnis gespannt sein.

MONIKA GROSCHE

faubn3@fau.org

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