Mit einer assoziativen Dramaturgie

„Zugvögel – Nomaden der Lüfte“ von Jacques Perrin hat das Genre Tierfilm erweitert  ■ Von Jörg Taszman

Wer kennt nicht den Traum von der Erde abzuheben, frei zu sein. Seit Ikarus kreisen viele Mythen und Märchen, Bilder und Geschichten um das Fliegen. Das Epos über die „Nomaden der Lüfte“ ist ein ganz anderer Tier- und Naturfilm aus Frankreich: wie eine Sinfonie über das Fliegen mit betörender Musik, den der Schauspieler und Produzent (z.B. Z) Jacques Perrin als Regisseur gedreht hat.

Zugvögel ist kein klassischer Naturfilm mit belehrendem Kommentar, sondern ein sinnliche Reise, die mehr auf den Bauch als auf den Kopf zielt. 44 Vogelarten wurden begleitet, die Tiere speziell aufgezogen, um Menschen ganz nah he-ranzulassen. Begleitet wurden die Vögel mit Modell-und Segelflugzeugen, Hubschraubern und Ballons, auf denen Kameras installiert waren. Es gab mehrere Drehteams und über ein Dutzend Kameramänner. Den Soundtrack steuerte Bruno Coulais bei, der auch die Musik für Microcosmos und Die purpurnen Flüsse schrieb. Ein Ohrwurm ist der Song „To be by your side“ von Nick Cave.

Und so entstand nach Asterix und Obelix – Mission Kleopatra ein ganz anderer Film aus Frankreich, der mit viel Aufwand, Geld und Mühen entstanden ist. 25 Millionen Euro für einen Dokumentarfilm über Zugvögel auszugeben, klingt wahnsinnig, aber das Resultat ist beeindruckend. Drei Jahre lang haben unzählige Helfer, Forscher und Mitarbeiter von Regisseur und Produzent Jacques Perrin Tausende von Zugvögeln begleitet. Gedreht wurde fast auf allen Kontinenten, in 40 Ländern.

Gelegentlich übertreibt Jacques Perrin, und die assoziative Dramaturgie wirkt zu simpel. So sind Symbole von eingesperrten Haustieren, über denen ein Schwarm Vögel vorüberzieht, überdeutlich. Dennoch bleibt es ein ungewöhnliches Werk, das nicht nur das Genre Tierfilm erweitert, sondern auch den inszenierten Dokumentarfilm. Und ganz egal, ob in 10.000 Meter Höhe oder unter den Brücken der Seine in Paris: So nah wie in Zugvögel ist man im Kino dem natürlichen Fliegen nie gekommen.

 Interview mit Jaques Perrin:

taz hamburg: Was war der Ausgangspunkt für den Film?

Jacques Perrin: Einer der Gründe für diesen Film war natürlich, dass es Vergleichbares noch nie gegeben hat. Fliegen steht jedoch auch für fast alle Träume: den Traum auszubrechen, den Traum der Freiheit. Und überall dort, wo das Leben schwer ist, egal ob hinter Gittern oder hohen Mauern, ist irgendwo am Himmel ein Vogel, der fliegt. So ist auf der einen Seite die Freiheit und der anderen die Willkür. Das macht es auch sehr symbolisch.

Wie konnte sie den Vögeln so nahe kommen ?

Wir kümmerten uns bereits um die Vögel bevor sie aus den Eiern schlüpften. Die Vögel waren von klein auf an den Lärm der Flugapparate und Kameras gewöhnt. Nach drei, vier Monaten fingen sie an zu fliegen und ließen sich von uns begleiten.

Verliert man als Regisseur nicht manchmal den Überblick bei so einem Mammutprojekt ?

Natürlich gab es auch viele Schwierigkeiten. Wir haben ja dreieinhalb Jahre an diesem Film gearbeitet, insgesamt vierhundert Menschen, davon hundertfünfzig ständig. Und so fanden wir immer eine Lösung. Aus den vielen Ländern, in denen wir im Schnitt zwei Monate lang waren, brachten wir meistens jeweils weniger als eine Minute Material für den fertigen Film zurück. Es ist eben auch viel daneben gegangen.

Was waren denn die Schwierigkeiten?

Wir haben vierhundertfünfzig Kilometer Film verdreht. Da sind viele Bilder darunter, die einfach nicht gut waren. Wenn die Kamera bereit ist, bevor der Vogel losfliegt, drückt man auf den Aufnahmeknopf. Dann fliegt der Vogel nicht und das ganze Filmmaterial wird abgedreht. Wenn er endlich losfliegt, ist aber die Kamera nicht drehfertig.

Und da verliert man nicht die Geduld?

All das wussten wir ja. Es geht hier nicht einmal um Geduld. Wenn das Schauspiel so schön ist, wird man nicht ungeduldig. Man genießt einfach den Moment, in dem die Vorstellung beginnt.

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